Bei AV-Installationen wird SDVoE immer mehr zum QuStandard der Signalübertragung und -Verwaltung. Hersteller dieser Lösungen haben den Event-Markt entdeckt und wollen die Technologie für unsere Zwecke schmackhaft machen.
Software Defined Video-over-Ethernet: SDVoE – für Systemintegratoren längst ein Begriff und Grundlage der Videosignalverwaltung zahlreicher Installationen. Bevor wir uns Sender, Empfänger und die Signalmanagement-Plattform des US-amerikanischen Herstellers ZeeVee genauer anschauen, müssen wir klären, was SDVoE überhaupt ist. Dazu haben wir die wichtigsten Eckdaten der Übertragungstechnologie und deren Entstehung zusammengefasst.
Es spricht nicht zwingend für den Ruf unserer Branche, wenn der erste Schritt zur Adaptierung von Installationsprodukten die Verpackung in robustere Gehäuse ist. Dennoch erwarten wir genau das von unseren Geräten: Zuverlässigkeit und Stabilität. Für ZeeVee bedeutete diese Anpassung, die Installationsgeräte in andere Chassis zu verbauen. Die Aluminiumgehäuse sorgen mit Kühlrippen für eine passive Wärmeableitung und die gummierten Ränder verhindern ein Verrutschen der 2.100 Gramm schweren Geräte zuverlässig beim Ein- und Ausstecken von Kabeln. Die Buchsen sind von Neutrik und Switchcraft. Der Stromanschluss ist als Neutrik TrueCon ausgeführt. Die dazugehörigen Stromkabel gehören nicht zum Lieferumfang. Die Chassis werden mit einem M10-Gewinde flugfähig gemacht, eine Möglichkeit zur Sekundärsicherung ist jedoch nicht vorhanden.
Die robuste Verpackung ist insgesamt also recht konsequent durchgeführt und für viele Anwender genau das richtige. Es erfordert jedoch im Umkehrschluss auch die Verwendung der passenden Komponenten und Stecker. Für eine schnelle Fehlersuche unterstützen zwei blaue LED an der Gehäusefront, welche bei anliegendem Videosignal und vorhandener Spannungsversorgung aufleuchten. Ob man versehentlich einen Encoder anstelle eines Decoder auf die Traverse gebaut hat, wird durch einen sehr kleinen Aufkleber am Gerät kenntlich, hier wäre eine offensichtlichere Unterscheidung hilfreich – das ist aber nichts, was man nicht mit einem Streifen Signal-Tape lösen könnte.
Eine Hemmschwelle beim Einsatz netzwerkbasierter Übertragungstechnologien kann die Einrichtung des Netzwerkes selbst sein. Wir haben hier den Vorteil, mit einem Switch aus der 4300er-Serie von Netgear zu arbeiten. Netgear ist Teil der SDVoE Alliance und maßgeblich an der Entwicklung und Ausrichtung von SDVoE beteiligt. Ein Switch aus dieser Serie bedeutet deshalb Plug and Play seitens der Netzwerkkonfiguration. Zumindest für Netzwerke, die für sich stehen und keine Integration oder Abgrenzung von anderen Netzwerken benötigen. Andere 10 G-Switche kann man natürlich trotzdem verwenden, vor der Inbetriebnahme muss dann das von ZeeVee bereitgestellte PDF „ZyPer4K Network Requirements & Security Considerations“ zu Rate gezogen und die Switche und Router entsprechend konfiguriert werden. Der Guide ist sehr umfangreich und gleich zweimal wird an entsprechender Stelle darauf hingewiesen, qualifizierte Netzwerkingenieure mit der Durchführung zu betrauen und bei den Herstellern der Switche die geforderten Funktionen abzufragen. Die Netzwerktopologien, die derart umfangreiche Eingriffe erfordern, gehören aber (noch) nicht zu unseren alltäglichen Anwendungen. Für unseren SDVoE „Erstkontakt“ nehmen wir den „Out of the Box“ Charakter des Netgear 4300-24 dankend an, und zu wissen, dass dieses Gerät auch nach einem Reset problemlos funktioniert, sehr wohlwollend zur Kenntnis.
Netzwerk ist also „kein Thema“ und wir können uns auf die Einrichtung von Encoder und Decoder konzentrieren. Die Geräte verfügen nicht über ein eigenes Interface zur Bedienung. Dafür kommt bei SDVoE eine Management-Plattform zum Einsatz, welche das Signalrouting koordiniert. SDVoE-Komponenten haben sich dabei der Interoperabilität verschrieben und in die Plattform können auch Geräte anderer Hersteller integriert werden, so sie denn auf SDVoE basieren. Im Fall von ZeeVee ist die Management-Plattform in der Rugged-Variante auf einem Mini-PC als Server auf Linux-Basis realisiert (möglich wäre auch ein ServerPC oder VM ware). Da wir keinen DHCP-Server in unserem Setup verwenden, müssen wir dem Gerät erst einmal eine IP-Adresse zuweisen. Ein Blick in das Handbuch verrät die Standard-Login-Daten „zyper“ und „zyper“. Man muss genau hinsehen beim Tippen, damit einem auffällt, dass ein QWERTY-Layout der Tastatur angenommen wird. Dieser Verdacht kam schon beim US-Stecker am Netzteil auf. Zukünftig soll der kleine Rechner mit einem deutschen Schuko- (oder vermutlich Eurostecker) versendet werden.
Nach erfolgreichem Login wird ein Befehl zur Adressierung des Servers fällig, den wir schnell im Handbuch finden. Nach der kurzen Reboot-Sequenz sind wir schon startklar und können die Tastatur und den Anschluss am Bildschirm wieder entfernen: Die Einrichtung des Servers ist damit abgeschlossen.
Jetzt erreichen wir mit der IP-Adresse die Bedienoberfläche der Plattform über einen Browser im gleichen Netzwerk und sind nach Eingabe von „admin“, „admin“ bereit für das Routing. Bis hier hin sind etwa 10 Minuten vergangen – vom Moment der Suche nach dem Handbuch bis zum ersten Blick auf das Web-Interface. Jetzt wäre der Zeitpunkt, den Mini-PC mit einem Label der IP-Adresse zu versehen, und vielleicht noch mit einem Aufdruck oder Beipackzettel für den Befehl, die IP-Adresse zu verändern. In der Regel muss man diese Einrichtung nur selten vornehmen und der Befehl ist schnell vergessen.
Es gibt die Ports HDMI 2.0, USB 2.0, XLR-Audio (unbalanced Stereo), 10 Gbit Ethernet, 1 Gbit Ethernet. Über den HDMI-Connector können zusätzlich acht Audiokanäle transportiert werden. Die HDMI-Übertragung erfolgt SDVoE-konform unkomprimiert, solange das Signal unter 10 Gbit/s Bandbreite liegt. Signale darüber, wie UHD60p, erfahren dann eine Kompression von 4:4:4 auf 4:2:0, um weiter mit 10-Gbit-Switchen kompatibel zu sein. Außerdem wäre das auch noch mit HDR möglich.
Der dreipolige XLR-Audio-Anschluss für unsymmetrische Stereosignale kann am Encoder sowohl als Input, aber auch als Output für Audiosignale im Netzwerk genutzt werden. Der Anschluss am Decoder ist ausschließlich als Ausgang nutzbar. Die USB-Übertragung funktioniert zwischen allen SDVoE-Produkten, die USB unterstützen. Die Bandbreite kann allerdings variieren. Wir nutzten diese, um eine Lichtzeichenanlage/PowerPoint-Remote von D-San abzusetzen, was gut und auf Anhieb funktionierte, nachdem man den Geräten im Manager erklärt, dass die Funktion aktiviert sein soll. Das „Heavy-Lifting“ wird von der 10-Gbit- Ethercon-Schnittstelle bewältigt. Darüber werden die AV- und Steuerdaten übertragen. Diese kann auch als LC-Glasfaser- Schnittstelle ausgeführt sein – was die möglichen Übertragungslängen zwischen Switch und En-/Decoder um ein Vielfaches erhöht. Der zweite Netzwerkport dient als Utility-Zugriff und ist auf maximal 1 Gbit beschränkt. Die Daten von diesem Port werden mit über die 10-Gbit-Schnittstelle übertragen. Über diesen Port erhält man Zugriff auf das Netzwerk der Management-Plattform und kann so an jedem Gerät Zugriff auf die Control-Oberfläche erhalten. Das ist nicht nur praktisch für die Einrichtung, sondern kann beispielsweise auch zur Steuerung anderer Geräte, wie Projektoren oder LED-Controller genutzt werden, so man diese im gleichen Netzwerk betreiben kann und möchte.
Einrichtung von Encoder und Decoder – ZyPer Management Platform
Die Managementplattform erkennt angeschlossene Encoder als „Sources“ und mit dem Netzwerk verbundene Decoder als „Displays“. Die Adressierung der Geräte erfolgt über den Manager, hier lassen sich die Geräte auch zwischen statischer IP-Adresse und DHCP umschalten. Es spielt also keine Rolle, wie die Geräte im Vorfeld konfiguriert waren und ob sie einem Reset unterzogen worden sind: eine Inbetriebnahme ist durch die automatische Erkennung im Manager sofort möglich.
Den Quellen und Displays können Symbole hinzugefügt werden, was eine bessere Unterscheidung erleichtert. Die Symbole haben jedoch nicht viel mit Veranstaltungssetups zu tun und könnten ein Update vertragen. Die RS-232-Optionen sind für die XR- und XS-Einheiten nicht relevant, da diese über keine Schnittstelle dafür verfügen. Wichtig ist noch das EDID-Management, welches nicht direkt über die Config erreicht wird, sondern über die Grid-Ansicht. Sind die grundlegenden Parameter justiert, kann man die Quelle dem Empfänger zuweisen: einfach per Drag&Drop die Quelle auf den Empfänger ziehen – fertig. Die grundlegende Inbetriebnahme wäre hiermit erledigt.
SDVoE versteht sich als Signalmatrix in Netzwerken und ZeeVee bietet uns hier die Modi Genlock, Fast Switching, Video Wall, Multiview, nur Audio, nur USB. Beim Genlockbetrieb, bei dem der Empfänger auf das Signal des Senders synchronisiert, konnten wir keine messbare Latenz feststellen. Im Fast Switching Mode, bei dem man an der Empfängerseite hart von einem Signal zum nächsten schneiden kann, konnten wir zwei Frames Latenz bei UHD60p ausmachen, was schlüssig ist und den Prinzipien von SDVoE entspricht. Video Wall und Multiview bringen noch einmal Latenzen ins Spiel. Der Multiview, bei dem die meiste Kompression und Skalierung stattfinden muss, schlägt mit zusätzlichen 135 ms zu Buche.
(Bild: Alexander Heber)
In unserem Test trennten wir den Manager vom Netzwerk, wovon die Signalübertragung unbeeindruckt blieb. Ein Neustart des Managers sorgte auf der Empfängerseite jedoch für ein kurzes Schwarzbild, da hier vermutlich die Konfiguration neu gesendet worden ist. Die Management-Plattform sollte am gleichen Switch wie die En-/Decoder betrieben werden, bzw. am Switch mit den meisten Verbindungen.
Zwar findet man sich schnell mit der Plattform zurecht und kommt an das gewünschte Ziel, gut designt ist die Nutzeroberfläche, die auch eine Rechteverwaltung und Anlage mehrerer Nutzer erlaubt, jedoch nicht. Im Hauptmenü wählt man die Fenster, die man sehen und bearbeiten möchte. Diese werden recht stumpf nebeneinander angeordnet und selbst bei nur wenigen Fenstern verlassen die Bedienelemente bereits den sichtbaren Bereich des Bildschirms. Man kann nicht scrollen, sondern lediglich die Fenster verschmälern oder ungenutzte wieder deaktivieren, um an die gewünschten Einstellungen zu gelangen. Bei unserem Test erwischten wir uns ständig beim An- und Abwählen und Verschieben von Elementen. Ein großer UHD-Bildschirm ist hier sicher eine gute Wahl, um es ein wenig übersichtlicher zu gestalten.
Auf Projektoren, unter Bühnen und als unmissverständliche Breakout-Box ist das Design der ZeeVee Z4K-XR Encoder und Decoder schlüssig und vertrauenserweckend. Wer es etwas unauffälliger braucht, findet in anderen Geräten des Herstellers auch die kleine Box, die sich besser hinter einem Display verstecken lässt. Professionelle Anschlüsse und eine Möglichkeit zur Aufhängung sind ein richtiger Schritt in Richtung Veranstaltungswelt. Mit einem robusten Gehäuse allein ist es jedoch nicht getan. Noch fehlen Möglichkeiten, die Geräte in etablierte Eventabläufe zu integrieren – eine generische Schnittstelle mit einfachen Befehlen zur externen Steuerung durch Companion & Co. zum Beispiel – idealerweise als fertiges Modul.
Während eine Vielzahl von Herstellern Produkte für AVoverIP anbieten, so ist der Zusammenschluss mehrerer Hersteller unter einem Dach mit einer gemeinsamen, interoperablen technologischen Grundlage wesentlich wünschenswerter als Alleingänge. Funktionierende Standards wären noch besser, aber in diesem Mittelfeld zwischen proprietärem NDI und aufwendigem ST2110 klafft eine Lücke, die SDVoE ganz gut zu schließen vermag. Mit den Z4KAXR-Geräten gelingt ZeeVee ein Vorstoß in den Eventsektor, der dank der SDVoE-definierten Technologie die hohe Bildqualität und geringe Latenz aufweist, die es für die Übertragung in Veranstaltungssälen braucht. Zusammen mit Out-of-the- Box konfigurierten IT-Switchen von Netgear ist die Einrichtung für nahezu jeden AV-Techniker problemlos realisierbar.