Der Prodigy MP von DirectOut Technologies ist ein modular bestückbarer Mainframe für vielfältige Aufgaben in der Audiotechnik und schlägt mit Audiokonvertierungen sowie FPGA-basierter DSP-Funktionalität eine Brücke von Live-Anwendungen zu Festinstallationen und Broadcast.
(Bild: Anselm Goertz)
Zum vor allem im Broadcast eingesetzten MADI-Format haben sich neue IP-basierte Formate wie Dante, Ravenna oder SoundGrid hinzugesellt, die sich dank ihrer recht einfachen Handhabung schnell bei Festinstallationen und im mobilen Einsatz verbreitet und etabliert haben. Nicht selten kommen dabei mehrere Formate in einem Projekt vor. Dann gilt es, alles zusammen zu bringen, zu synchronisieren und vor allem Störungen, Verluste und Aussetzer zu vermeiden. Grundsätzlich ist dabei zwischen den reinen Audio-Datenprotokollen – zu denen MADI, ADAT oder auch AES/EBU gehören – und den IP-basierten Audionetzwerken zu unterscheiden.
Dante, Ravenna und AES67 arbeiten auf dem OSI-Layer 3 und adressieren über IP-Adressen. SoundGrid bewegt sich auf dem OSI-Layer 2 und adressiert über MAC-Adressen. AVB arbeitet eigentlich auf dem Layer 3, nutzt aber zur Synchronisation Layer-2-Protokolle, ist also ein Mix aus Layer 2 und 3. Eine Herausforderung ist nun, diese recht unterschiedlichen Formate in gemischten Systemen zusammenzubringen. Und analoge Signale gibt es dann auch noch, die ebenfalls ihren Weg in das Audiosystem finden wollen.
Ein typisches Beispiel sind Festivals, bei denen Bands eigene Pulte mitbringen, so dass am FOH-Platz Dante, SoundGrid und vielleicht noch eine Ausspielung via MADI für den Ü-Wagen gemanagt werden müssen. Große Bühnen erfordern zudem viele Ausspielwege für das Hauptsystem, Delay-Lines, Side- und Frontfills, Subwoofer und vieles mehr. An solchen Stellen kommt der Prodigy MP ins Spiel, der aus diesen sehr vielfältigen Anforderungen entstand. In der MP-Version ist er neben seiner Funktion als Audiokonverter auch mit einer mächtigen FPGA-basierten DSP-Funktionalität ausgestattet. Wie weit das Gerät seinem verheißungsvollen Namen Prodigy (Wunderkind) gerecht wird, soll dieser Testbericht ein wenig näher betrachten.
DirectOut GmbH, der Hersteller des Prodigy, ist eine im Jahre 2008 in Mittweida von mehreren Toningenieuren gegründete Firma, die sich die Entwicklung und Vermarktung hochwertiger und leistungsfähiger Audio-Formatwandler, -Interfaces und Signalverteilungen für den Rundfunk, für Studios sowie für Live- und Installationsanwendungen zum Ziel gesetzt hat. Konkret findet sich im Portfolio eine ganze Reihe von 19″-Geräten, die Audiosignale für oder aus MADI-Systemen aufbereiten, konvertieren oder weiterleiten.
Um möglichst flexibel zu sein und dem Anwender nicht unnötige Hardware verkaufen zu müssen, ist der Prodigy als Mainframe mit Steckplätzen für eine individuelle Konfiguration konzipiert. Bei der Software setzt sich dieses Konzept fort, es gibt verschiedene Bundles mit DSP-Funktionen, speziellen Tools und Services. Wie so oft bei Audiogeräten ist auch beim Prodigy der Blick auf die Geräterückseite aufschlussreicher als die Front: Hier gibt es vier Slots für analoge Ein- und Ausgänge oder Signale im digitalen AES3-Format, zwei Slots für Audionetzwerk-Interfaces und zwei für MADI-Anschlüsse. Fest im Mainframe integriert sind drei Netzwerk-Ports, ein MIDI-Interface, zwei Word-Clock-Ein- und Ausgänge sowie ein GPIO-Anschluss und zwei Netzteile, die redundant arbeiten. Letzteres ist ein wichtiger Aspekt zum Thema Betriebssicherheit ebenso wie die Möglichkeit, zwei Geräte im Mirror-Modus zu betreiben oder die Eingänge mit automatischem Failover zu konfigurieren.
Die beiden Netzwerk-Slots können beliebig gemischt oder auch gleichlautend bestückt werden ebenso wie die vier Slots für analoge oder AES3-Karten. Die von den Abmessungen her kleineren MADI-Slots 1 und 2 können mit Anschlüssen für BNC-Kabel, mit einer SC-Multi- oder Single-Mode-Karte für optische Verbindungen oder mit einem Anschluss für einen SFP-Transceiver bestückt werden.
Bei den analogen Modulen gibt es vier Varianten und drei Kombimodule. Für je acht analoge Eingänge stehen das Modul AN8.I für Line-Pegel und die Module MIC8.LINE.I und MIC8.HD.I mit Preamp-Eingängen für Mikrofon- und Line-Pegel-Signale zur Verfügung. Die HD-Variante bietet bei hoher Verstärkung einen 10 dB besseren Störabstand und entspricht mit einem EIN von –128 dBu dem Standard eines hochwertigen Mic-Preamps. Für acht analoge Ausgänge gibt es das AN8.O mit ebenfalls per Jumper einstellbaren Pegeln, hier von 15, 18 oder 24 dBu. Die drei Kombikarten entsprechen den drei analogen Input-Modulen, die um das achtkanalige Ausgangsmodul erweitert sind. Alle Anschlüsse sind mit Anschlüssen 25-pin D-sub ausgeführt und entsprechen dem AES59-Tascam-Standard.
(Bild: Anselm Goertz)
Für Signale im digitalen AES3-Format sind für den Prodigy zwei Karten mit je vier zweikanaligen Ein- und Ausgängen im Angebot. Die AES4.IO und die AES4.SRC.IO, die zusätzlich mit Sample-Rate-Convertern ausgestattet ist. Der Anschluss erfolgt auch hier mit 25-pin D-sub entsprechend dem AES59-Tascam-Standard. Möchte man die analogen oder digitalen Signale einzeln über XLR-Verbinder anschließen, dann gibt es dazu Breakout-Boxen im 19″-Format mit 1 HE. Die fünf verfügbaren Varianten bieten entweder 16 analoge Eingänge oder Ausgänge, eine Kombination aus je acht Ein- und Ausgängen oder für digitale Signale je acht AES3-Ein- und Ausgänge mit XLR-Anschlüssen für 110-Ω-Verkabelung oder je 16 Ein- und Ausgänge mit BNC-Buchsen 75 Ω im AES-iD-Format. Letzteres ermöglicht mit entsprechenden Coax-Kabeln Verbindungen über Entfernungen bis zu 1000 m.
Beim Thema Netzwerke bietet DirectOut Karten für Dante, Ravenna und SoundGrid an. Alle drei Varianten sind jeweils mit drei Netzwerk-Ports (2 × RJ45 und 1 × SFP) und einem internen Switch ausgestattet, die redundante Netzwerke für die Audiosignalübertragung ermöglichen. Der jeweils verbleibende dritte Port kann dann bei Bedarf auch noch für die Ethernet-Verbindung des Geräte-Management-Ports genutzt werden.
Normalerweise arbeiten alle Geräte in einem Audionetzwerk synchron. Eines der Geräte oder ein spezieller Clock Generator gibt als Leader den Takt vor und alle anderen Geräte in diesem Netzwerk folgen diesem Takt (Follower). Das funktioniert immer dann gut, wenn die gesamte Audioübertragung auf einem Netzwerkformat basiert. Kommen jedoch mehrere Formate zum Einsatz, z. B. arbeitet ein Pult am FOH-Platz mit Dante und eine zweites mit Ravenna, dann funktioniert das Leader/Follower-Prinzip nicht mehr. Die Datenströme müssen dann, auch wenn sie die gleiche Abtastrate verwenden, mit Sample-Rate-Convertern (SRC) angepasst werden.
Dazu bietet DirectOut zwei Varianten des SRC an, den FastSRC mit 0,15 ms Latenz und den HD SRC mit 1 ms Latenz. Der FastSRC ist fester Bestandteil des Prodigy MP für alle Signal-Zu- und Ausspielungen über die Netzwerk-Slots und über das MADI-Interface. Der wesentlich mehr Rechenleistung benötigende HD SRC wird dagegen nur optional auf Netzwerkkarten mit einem dem Zusatz „SRC“ in der Typenbezeichnung zur Verfügung gestellt. Für die MADI-Signale gibt es den HD SRC nicht. Neben der Latenz liegt der Unterschied der SRCs auch in der Audioqualität: Beim Fast SRC müssen zu Gunsten einer kurzen Latenz und geringem Bedarf an Rechenleistung kleine Kompromisse bei der Audioqualität gemacht werden. Für die AES3-Karte ist der SRC nur in den Eingängen verfügbar und arbeitet unabhängig für die vier Eingänge, so dass auch vier nicht synchrone und in der Sample Rate unterschiedliche Signale zeitgleich auf die interne Clock des Prodigy angepasst werden können.
Abb. 1 zeigt eine Übersicht der möglichen Synchronisationen des Prodigy auf externe oder interne Clock-Quellen mit deren Priorität und Verfügbarkeit. Für die beiden Netzwerkkarten Dante und Sound-Grid erkennt man, dass auch die Option HD SRC wählbar wäre, d. h. die dort installierten Karten sind mit der SRC-Option ausgestattet.
Da der Funktionsumfang des Prodigy ebenso wie die Anzahl der möglichen Ein- und Ausgänge mit 416 bzw. 420 gewaltig groß ist, kommt einer guten Bediensoftware zur Konfiguration und eines User Interfaces eine erhebliche Bedeutung zu. Drei Möglichkeiten stehen aktuell dazu zur Verfügung. Einfache Funktionen wie Pegelüberwachung, Mute, Gain oder eine Clock-Übersicht sowie die Abfrage von Device-Infos können über das große farbige und gestochen scharfe Touch-Display direkt am Geräte erfolgen.
Alle dort möglichen Bedienungen sind auch als Website über einen üblichen Browser abrufbar. Dazu muss man sich lediglich im gleichen Netzwerk befinden und die IP-Adresse des Prodigy eingeben. Für einfache Funktionen und Überwachungen kann somit jedes Tablet oder auch Smartphone als Fernbedienung genutzt werden.
Für die vollständige Bedienung und Konfiguration des Prodigy bedarf es jedoch eines PCs und der Globcon-Software, die für Windows, MacOS sowie bald auch für Linux verfügbar ist. Die Software der LGSF Engineering GmbH aus Hannover entstand in enger Zusammenarbeit mit DirectOut, beschränkt sich jedoch nicht ausschließlich auf deren Geräte, sondern versteht sich als universelles Tool zur Bedienung von Geräten aus der Medientechnik. Finanziert wird das Globcon-Projekt von den beteiligten Herstellern und steht für Anwender kostenlos zur Verfügung.
Die Globcon-Software unterscheidet zwischen dem Show- und Config-Modus, wobei es nur bei letzterem mögich ist, Funktionsblöcke oder Inserts in den Kanälen zu definieren. Startet man die Software, dann taucht der Prodigy zunächst mit einem kleinen Übersichtbild auf, das entweder die Pegel aller Ein- und Ausgänge oder aller DSP-Kanäle zeigt. Öffnet man dann das Gerät in der Software, dann zeigt sich der Home-Bildschirm aus Abb. 3 mit einer umfassenderen Darstellung aller wichtigen Zustände.
Die Pegel werden sehr geschickt in kreisförmigen Grafiken angezeigt, wo jeweils alle Kanäle eines Slots zusammengefasst sind. In der Darstellung wurde der Prodigy mit einer Samplerate von 192 kHz betrieben, so dass die Anzahl der Kanäle in den Netzwerk-Ein- und Ausgängen reduziert war. Neben den Ein-und Ausgängen werden auch die Pegelverhältnisse der Flex-Channels, der Matrix-Mischer und der Summen-Busse angezeigt. Ganz rechts im Bild auch noch die Mute-Schalter, mit denen sich ganze Slots oder auch pauschal alles muten lässt.
Für die in der Hardware vorhandenen Inputs- und Outputs in den Slots oder Netzwerken gibt es Fenster zu Bedienung mit je 32 Kanälen. Insgesamt sind je 64 Ein- und Ausgänge für Madi M1 und M2 und je 128 für die Netzwerke N1 und N2 vorhanden. Hinzu kommen je acht Ein- und Ausgänge der Slots S1 bis S4. In der Summe sind es dann 416 Eingänge und 416 Ausgänge. Bei den Ausgängen kommen dann noch zwei Stereokopfhörerausgänge PH1 und PH2 auf der Frontseite des Gerätes hinzu. Für alle Ein- und Ausgänge können Polarity, Gain, Trim und Mute eingestellt werden. Die Kanal-Label zeigen entweder die interne Zuordnung (Quelle oder Senke) oder einen vom User vergebenen Namen an. Für die analogen Karten mit Preamps wird hier auch das Gain, das PAD und die 48-V-Phantomspeisung eingestellt.
Alle Ein- und Ausgänge sowie die internen Kanäle der Summenbusse, Matrixmischer und Flex-Channels können über eine alles umfassende Matrix verknüpft werden. Die Matrix ist so aufgebaut, dass man zunächst die Quellen und Senken nach Zugehörigkeit auswählt, z. B. die Ausgänge der Matrix-Mischer als Quellen und Network 1 als physikalische Ausgänge, und dann in dem jetzt übersichtlichen Rahmen die Verknüpfungen setzt. Wären immer alle Wege der Matrix sichtbar, dann würde die Übersicht zu sehr darunter leiden.
Inputs und Outputs
Die 32 Inputs der Slots 1 bis 4 mit Pegelanzeigen und Gain-Einstellungen für die Eingänge mit Preamps (Abb. 4)
Die 32 Outputs der Slots 1 bis 4. Die drei analogen Module sind mit der Output-Option AN8.O bestückt (Abb. 5)
Die Matrix-Mischer des Prodigy ermöglichen es, 16 oder acht Eingänge auf vier bzw. acht Ausgänge oder intern auf weitere DSP-Kanäle wie einen Flex-Channel zu mischen. Insgesamt sind je acht Matrixmischer 16 × 4 und 8 × 8 vorhanden. Abb. 7 zeigt ein Beispiel für einen Mischer 8 × 8, wo für jeden der acht Ausgänge A bis H ein individueller Mix aus den Eingängen 1 bis 8 erstellt werden kann. Jeder Ausgang verfügt über vier Slots mit einer Auswahl von Funktionen zum Signalprocessing. Das kann ein einfaches Delay, eine IIR-Filterbank, eine FIR-Filterbank oder auch ein Dynamikprozessor sein. Alle Bedienelemente können auch einzeln entnommen bzw. kopiert und auf einer eigenen Oberfläche wieder passend zur Anwendung angeordnet werden.
Eine Spezialität der Signalverarbeitung des Prodigy sind die 32 Flex-Channels, die individuell als Eingangs- oder Ausgangskanalzug definiert werden können. Jeder Flex-Channel enthält auch wieder vier Slots mit einer Auswahl von Funktionen zum Signalprocessing. Zu beachten ist dabei die Richtung des Signalflusses, die für Eingangszüge Top-Down ist, also zuerst das Processing und zum Schluss der Fader. In den Ausgangszügen ist es genau umgekehrt Down-Top und das Processing liegt hinter dem Fader.
Einzelne Kanalzüge lassen sich zudem über den C- (Channel Strip) Button auch komplett mit allen Details der Signalverarbeitung darstellen. Abb. 7 zeigt dazu ein Beispiel, wo man mit Filterkurven, Pegelanzeigen und Fadern übersichtlich im Griff hat. Die Parameter können jeweils über die Fader, grafisch oder direkt mit Zahlenwerten eingestellt werden.
Matrix-Mischer und Darstellung eines Flex-Channels
Einer von 16 Matrix- mischern In den Aus- gängen (links) können je vier Processing- Module eingesetzt werden (Abb. 6)
Detaildarstellung eines Flex-Channels mit allen Parametern für die Filter, Dynamics und Delay (Abb. 7)
Natürlich ist es bei der großen Anzahl möglicher Filterfunktionen nicht möglich, diese alle darzustellen. Filter können über zwei Processing-Module, den IIR- und den FIR-Equalizer eingestellt werden. Die IIR-Filter sind die klassischen digitalen Filter mit einer sogenannten BiQuad-Struktur, die sich vereinfacht ausgedrückt so verhalten wie analoge Filter. Die FIR-Filter werden hier in einer etwas abgewandelten und erweiterten Form eingesetzt. Die Struktur, mehr sei hier nicht verraten, ist etwas komplexer als bei herkömmlichen FIR-Filtern, und ermöglicht dafür eine Filterkurve mit Stützstellen über einer logarithmischen Frequenzachse, womit diese Filter speziell bei tiefen Frequenzen wesentlich effektiv eingesetzt werden können im Vergleich zu herkömmlichen FIR-Filtern, deren Stützstellen über der linearen Frequenzachse liegen. Einen kleinen Nachteil muss man dabei jedoch in Kauf nehmen: Dieser Art FIR-Filter bietet nicht die Möglichkeit, Amplitude und Phase unabhängig voneinander einzustellen. Daher lassen sich damit keine linearphasigen Filter erzeugen oder Lautsprecher auch im Phasengang entzerren.
Das IIR-EQ-Modul bietet mit High- und Lowpass-Filtern jeweils 1. und 2. Ordnung, Bell-Filtern, Allpass-Filtern sowie Low- und High-Shelf-Filtern mit variabler Güte den üblichen Funktionsumfang. Exemplarisch für die Bell-Filter sind die Kurven in Abb. 8 dargestellt. Die Mittenfrequenz kann von 20 Hz bis 20 kHz variiert werden und die Güte von 0,3 bis 20 bei einem Gain von maximal ±15 dB. Im unteren Teil der Grafik sind Bell-Filter mit einer konstanten Güte von 2,0 und festem Gain von +12 dB für Mittenfrequenzen von 20 Hz bis 20 kHz zu sehen. Die sonst übliche Stauchung der Bell-Kurve bei hohen Frequenzen gibt es hier dank der hohen Abtastrate nicht. Die grüne Kurve bei 20 kHz weist exakt den Shape der anderen Kurven bei tieferen Frequenzen auf. Lediglich bei tiefen Frequenzen unterhalb von 30 Hz gibt es kleine Abweichung, wo sich die Mittenfrequenz das 20 Hz Bell-Filters etwas nach oben verschoben hat.
Zusätzlich gibt es auf der zweiten Seite der Filterauswahl für den IIR-EQ noch einige etwas ungewöhnlichere Filtertypen. Dort finden sich ein Bandpass- und ein Notch-Filter sowie RIAA-Production- und Playback-Filter. Letztere werden eingesetzt, um vor dem Schneiden einer Pressvorlage für Vinyl-Schallplatten die tiefen Frequenzen abzusenken und nachher bei der Wiedergabe passend dazu wieder anzuheben. Die Pegeldifferenz zwischen 20 Hz und 20 kHz beträgt dabei 40 dB.
Noch interessanter wird es beim FIR-EQ-Modul, wo dann auch asymmetrische Filter, Shelf-Filter mit extremen Gütewerten sowie Linkwitz-Riley-Hoch- und Tiefpässe mit bis zu 48 dB/Oct Steilheit möglich sind. Wie bereits erwähnt, sind diese jedoch aufgrund der speziellen FIR-Struktur nicht linearphasig. Ein weiterer sonst eher unüblicher Filtertyp ist das Tilt-Filter, das über der logarithmisch skalierten Frequenzachse eine linear steigende oder fallende Gerade als Filterfunktion erzeugt. Die Steilheit wird über einen Gütewert eingestellt und reicht von -1 dB/Oct bis +1 dB/Oct. Gelegentlich auch als „Klangwaage“ bezeichnet eignen sie sich gut, um zu scharf oder zu dünn klingende Aufnahmen etwas anzupassen oder auch um „zu sehr linear“ eingemessene Beschallungsanlagen noch etwas zu tunen.
Für die FIR-EQs können drei unabhängige Layer mit den bislang genannten Filtertypen eingestellt und als Presets abgespeichert sowie mit Copy and Paste übertragen werden. Die drei Layer eignen sich gut, um Filtereinstellungen zu vergleichen oder auch um diese für verschiedene Anwender unabhängig voneinander zur Verfügung zu stellen. So könnten die drei Layer im Ausspielweg zu einer PA für die Einmessung der Anlage, für eine Anpassung an die Raumakustik und für den Bandtechniker genutzt werden, ohne dass der eine in die Filter des anderen eingreifen müsste.
Filtermöglichkeiten
FIR-EQ Modul u. a. mit asymmetrischen Filtern und speziellen Tilt-Filtern (Abb. 9)
Einige exemplarische Filtermöglichkeiten mit asymmetrischen Funktionen (oben) und mit Shelf-Filter (unten), deren Güte von 0,1 bis 10 definiert werden kann (Abb. 10)
Custom FIR-Filter (oben), die anhand einer einfachen Tabelle im CSV-Format oder auch Messdaten direkt erstellt werden können. Im unteren Teil der Grafik eine Messung der Tilt-Filter, deren Neigung über einen Güte-Wert zwischen -1 dB/Oct bis +1 dB/Oct eingestellt werden kann (Abb. 11)
Für die Einmessung einer Lautsprecheranlage hält der Prodigy noch eine weitere spezielle Funktion bereit. Mit dem vierten Layer, Custom genannt, lassen sich über einfache Tabellenwerte definierte Filter umsetzen oder dieser direkt aus einer Messung ableiten. Abb. 11 zeigt dazu eine via CSV-Tabelle aus einem Messprogramm importierte Filterkurve, die in allen Details korrekt abgebildet wird. Auch hier gilt wieder, dass nur die Amplitude vorgegeben werden kann und keine linearphasigen oder in der Phase individuell agierende Filter möglich sind. Im gezeigten Beispiel erfolgte der Import der Filterfunktion über eine CSV-Tabelle mit 244 Stützstellen mit 1/24 Oct Abstand von 20 Hz bis 20 kHz.
Im Zusammenspiel mit einem Smaart-Messsystem und einem PlugIn kann man noch einen Schritt weitergehen und die dort erstellten Messungen übernehmen und daraus über die Invert-Funktion direkt ein Equalizing-Filter erstellen. Die gemessene Kurve kann bei Bedarf geglättet und auch in ihrer Dynamik gestaucht werden. Die untere und obere Grenzfrequenz für die Invertierung lassen sich zudem frei definieren, um keine extremen Kompensationen zu erzeugen. Die für Smart benötigten Messmikrofone können über die Mikrofoneingänge des Prodigy angeschlossen werden, ebenso wie das Messsignal aus dem Smart über die Ausgangswege des Prodigy zu den Lautsprechern geschickt werden kann. Der Messrechner mit der Software wird dazu mit Hilfe einer DVS (Dante Virtual Soundcard) via Dante mit dem Prodigy verbunden.
Ein weiteres Processing-Modul beinhaltet die Dynamikfunktion, die im Stereo- oder Mono Modus genutzt werden kann. Zur Steuerung des Compressors steht ein Side-Chain zur Verfügung, der z. B. aus einem Flex Channel mit einer gewünschten Vorfilterung versorgt werden kann. Für den eigentlichen Compressor können die üblichen Parameter Threshold und Ratio sowie die drei Zeitkonstanten für Attack, Hold und Release in sehr weiten Bereichen eingestellt werden (Abb. 12).
Ein Fader mit der Bezeichnung Dry erlaubt es zudem, das Signal des Compressors wieder mit dem Originalsignal zu mischen.
Abb. 13 zeigt eine exemplarische Messung der Compressor-Funktion für die in Abb. 12 eingestellten Parameter. Als Eingangssignal (blaue Kurve) wurde ein 1-kHz-Sinussignal mit einem Pegelsprung von +20 dB zwischen 1 s und 3 s verwendet. Das rote Ausgangssignal des Compressors zeigt die Funktion, bei der sich alle eingestellten Werte gut nachvollziehen lassen.
Der große Funktionsumfang des Prodigy erlaubt es nicht, hier alles zu erläutern oder gar im Detail zu prüfen. So gibt es noch die Funktionen eines Automatikmischers, der Loudness-Messung und die Möglichkeit, externe Plugins einzubinden sowie wie viele andere kleine Spezialitäten, die für die eine oder andere Aufgabe wichtig sein können.
Wer sich einen guten Überblick über das Gerät verschaffen möchte, dem sei die frei verfügbare Software Globcon empfohlen, wo ein virtueller Prodigy mit allen Hardware- und Software-Optionen in vollem Umfang abgebildet wird und auch konfiguriert werden kann. Eine Reihe gut gemachter Videos von der DirectOut Homepage mit Webinaren und Tutorials ermöglicht zudem einen Überblick über verschiedene Anwendungen und erläutert die Funktionen des Prodigy.
So komplex wie das Gerät ist auch die Preisstruktur mit vielen Hardware-Optionen und diversen Software-Paketen sowie einzelnen Software-Lizenzen. Das Basisgerät Prodigy MP ohne Netzwerk-Module oder Slot-Karten mit dem Advanced-Software-Paket findet sich zum Preis von 6.500€ netto in der Preisliste. Mit dem einfacheren Essential-Paket, das keine DSP-Funktionalität enthält, gibt es den Prodigy dann schon für 4.500€. Mit 8100€ erhält man das ultimative Unlimited-Paket inklusive aller aktuellen und zukünftig verfügbaren DSP-Ressourcen und Tools.
Wer sich die Mühe gemacht hat, den Testbericht komplett bis hierhin zu lesen, für den erschließt sich das Fazit zwangsläufig: Der Prodigy MP von DirectOut macht seinem Namen alle Ehre und kann quasi alles, was in der modernen Audiotechnik an signalverarbeitenden Funktionen vorkommt. Als Spinne im Netz eines Audiosystems kann der Prodigy alle Arten von analogen und digitalen Signalen sowie alle populären Audionetzwerkformate mit bis zu 416 Kanälen aufnehmen, zueinander synchronisieren, verarbeiten und über ebenso viele Kanäle und Formate wieder ausgeben. Die dabei verfügbaren DSP-Funktionen der extrem leistungsfähigen FPGAs lassen kaum Wünsche offen und prädestinieren den Prodigy für den Einsatz in großen PA-Systemen, für komplexe Festinstallationen und auch fürs Studio. Trotz des großen Funktionsumfanges ist es jedoch gelungen, mit der Globcon-Software das Gerät übersichtlich darzustellen und nach einer gewissen Einarbeitungszeit voll bedien- und nutzbar zu machen.
Die Hardware des Prodigy erfüllt höchste Ansprüche und ist in Puncto Verarbeitung und Materialqualität absolute Spitzenklasse, was dann auch dem Preis angemessen ist. Alles in allem dürfte der Prodigy somit wohl eines der mächtigsten 19″-Geräte auf dem Audiomarkt sein, das sich dank seiner flexiblen Hard- und Software für viele Aufgaben einsetzen lässt und mit seinem modularen Aufbau auch zukunftssicher ist.
Es wäre mal nützlich gewesen, ein Blockschaltbild über die geplante Anwendung dieses Gerätes zu sehen.