Im Zuge der Pandemie und der damit verbundenen Digitalisierung ist es für die bildgebende Technik nahezu üblich geworden, zuerst an PTZ-Kameras zu denken und handbediente Kameras kaum noch in Erwägung zu ziehen. Doch worauf muss man bei der Wahl einer PTZ-Kamera achten, welche Features braucht man wirklich und welche Kompromisse geht man mit ihrer Verwendung ein?
In den letzten 12 Monaten ist unsere Definition von Events auf den Kopf gestellt worden: Wenn früher Kameras im Einsatz waren, dann weil es galt, das Bühnengeschehen für die Zuschauer:innen zu vergrößern. Die meisten Veranstaltungen kamen jedoch problemlos ohne aus. Heute fragen wir nicht mehr, ob eine Kamera benötigt wird, sondern nur wie viele. Das führt nicht nur zu einem erhöhten Bedarf an Kameras, sondern auch an Kameraleuten. Und es sind nicht nur Veranstaltungsfirmen, die nun auf- und nachrüsten. Auch Gäste, die per Liveschalte in eine Veranstaltung geladen werden, haben schnell gemerkt, dass die Webcam des Firmenlaptops keinen professionellen Eindruck macht. Firmen reagieren und bauen Büroräume zu Webkonferenzräumen oder ausgewachsenen Streaming-Studios um. Dabei soll die Bedienbarkeit gewährleistet sein, ohne für jedes Webinar Profis einkaufen zu müssen. Lichtstimmungen werden über Tablets gesteuert, der Ton liegt in den Händen des Automixers, die Quellen werden mit einem Knopfdruck am Bildmischer gewechselt – aber wer bedient eigentlich die Kameras? Hier kommt die PTZ-Kamera ins Spiel – mit diesem Grundlagenartikel wollen wir Hilfestellung bei der Entscheidung für oder gegen eine solche Kamera bieten.
Was ist eine PTZ-Kamera?
Die Geschichte der PTZ-Kamera beginnt theoretisch mit der Entwicklung der Videokamera an sich. Nachdem Kameras in der Lage waren, kontinuierlich Bilder aufzuzeichnen und zu übertragen, wurden die Kameras auf schwenk- und neigbare Stative montiert. Dabei ermöglichten P (Panorama = Schwenk) und T (Tilt = Neigung) von nun an ein zielgenaues und stabiles Einfangen und Verfolgen von bewegten Objekten. Kameraobjektive mit variabler Brennweite erweiterten die Bedienbarkeit um Z (Zoom). Das Objektiv ermöglicht auch einen variablen Fokus. Dieser ist bei PTZ- Kameras ebenfalls bedienbar, wird aber nur sehr selten in der Abkürzung aufgeführt. Wenn doch, dann wird das PTZ einfach um das „F“ für Fokus ergänzt.
Nach dieser Definition wäre jede Kamera mit Zoomobjektiv nach der Montage auf einem Stativ eine PTZ(F)-Kamera. Wir haben jedoch ein anders Bild von PTZ-Kameras vor Augen: sie sehen C-3PO ähnlicher als einem normalen Camcorder, und vor allem lassen sie sich fernsteuern! Irgendwie wurde der Aspekt, dass es sich um ferngesteuerte Kameras handelt, nicht in die Abkürzung aufgenommen – doch genau darum geht es. Das „PTZ“ steht also nicht für das, was die Kamera an sich kann, sondern für die wesentlichen Funktionen, die sich fernsteuern lassen. Wir halten also fest: Wenn wir von PTZ-Kameras sprechen, dann meinen wir fernsteuerbare Kameras, welche geschwenkt, geneigt, gezoomt und fokussiert werden können.
Häufig reden wir von Dome-Kameras, wenn wir eigentlich PTZ-Kameras meinen. In vielen Firmen ist das ein Quasi-Synonym für PTZ-Kameras. Dabei definiert sich eine Dome-Kamera nicht durch ihre PTZ-Möglichkeiten, sondern durch die Bauform: Dome-Kameras zeichnen sich durch die Kuppel, unter der die Kamera sitzt, aus. Die Kuppeln können eingefärbt sein, um die Blickrichtung der Kamera zu verbergen. Ob unter der Kuppel eine PTZ-Kamera steckt oder ob es sich um eine Kamera mit fester Perspektive handelt, ist unterschiedlich. Der „Dome“ dient auch zum Schutz vor Witterung und Vandalismus. Wenn die Kuppeln luftdicht sind, kann Stickstoff im Gehäuse ein Beschlagen von Kuppel und Objektiv verhindern.
Wenn wir diese Dome-Kamera-Definition zugrunde legen, stellen wir schnell fest, dass wir nahezu nie Dome- Kameras im Einsatz haben. Der große Teil der Dome-Kameras ist für Sicherheitssysteme gedacht und nicht für Liveübertragungen oder den Einsatz bei Videoproduktionen. Der Wunsch nach fernbedienten PTZ-Kameras kommt höchstwahrscheinlich aus dem Sicherheitssektor. Die erste kommerzielle, mit einem Pult bedienbare PTZ-Kamera kam vermutlich in einem Überwachungssystem zum Einsatz und war vielleicht auch unter einem Dome versteckt. Eine Dome-Kamera kann also eine PTZ-Kamera sein, aber eine PTZ-Kamera muss keine Dome-Kamera sein.
Durch den Einsatz von PTZ-Kameras hat sich der Begriff der „virtuellen PTZ“- oder „elektronischen PTZ“- Kamera in unser Glossar gespielt. Hierbei handelt es sich um das Auswählen von Bildausschnitten per Software. Man nehme ein hochauflösendes Kamerabild (z. B. UHD) und greift daraus nur einen Full-HD-Ausschnitt ab. Es ist kein wirkliches Pan oder Tilt, viel mehr wählt man Position und Größe eines Ausschnittes auf einem zweidimensionalen Kamerabild. Trotz- dem wird dieser Begriff genutzt, um Marketing für Kameras zu betreiben. Die AJA RovoCam ist eine UHD-Kamera, deren Steuerung eine Wahl des Bildausschnittes auf dem Chip erlaubt.
Die Möglichkeit, auf diese Art in Kamerabilder hinein zu zoomen, gibt es auch bei Bildmischern oder PTZ-Steuersoftware. Mit Virtual PTZ kann man mit einer einzelnen Kamera eine Diskussion mit wenigen Teilnehmern auffrischen und je nachdem, wer gerade spricht, in den einzelnen Bildausschnitt zoomen.
Mit den aktuellen 1,5 m Abstandspflicht auf Szenenflächen klappt das besser denn je.
PTZ-Kameras kommen nicht erst seit dem Streamingboom zum Einsatz. Es gibt viele Faktoren, die den Einsatz der kompakten Kameras attraktiv machen: PTZ-Kameras sind klein und unauffällig. Sie lassen sich im Setbau integrieren und fallen wenig oder gar nicht auf. In Bühnendächern können sie interessante Perspektiven einfangen und den Schnitt von Konzerten und Shows bereichern. Der kleine Formfaktor ist nicht nur gut für ungewöhnliche Blickwinkel, sondern macht die Sichtachse für das Publikum frei. Eine PTZ an einem Tribünengeländer versperrt nicht die Sicht, wie es eine EB-Kamera auf einem Stativ inmitten der Zuschauerreihen tun würde.
Vielen modernen PTZ-Kameras reicht eine Spannungsversorgung per PoE. Wenn Steuerung und Bildübertragung dann auch noch per Netzwerk stattfinden können, lassen sich selbst entlegene Blickwinkel mit einem einzelnen Kabel erschließen. Das Abspeichern von Presets für die Kameras ermöglicht exakt wiederholbare Kameraperspektiven und Einstellungen auf Knopfdruck. Das spart Kameras und Personal. Die Steuerung vieler PTZs kann so in die Hände eines einzelnen Operators gelegt werden. Die Verwendung von Presets öffnet zudem Tür und Tor für alle Formen der Automation. Für Studios entsteht dadurch eine Reproduzierbarkeit, die völlig unabhängig von den Fähigkeiten und Stils von Kameraoperatoren ist. Die Pokerspielübertragung von heute hat die gleichen Positionen und Winkel wie die Übertragung von morgen. Das Makro im Bildmischer schickt immer die richtige Kamera zur richtigen Position, der Spielraum für Kommunikationsfehler wird drastisch reduziert. Presets machen den Einsatz von PTZ-Kameras überhaupt erst praktikabel.
Kameras in PTZ-basierten Studios vom Wohnzimmer aus zu operieren, ist nicht nur möglich, sondern bereits Praxis. Aber auch ganz klassische Broadcast-Aufgaben werden mittlerweile von PTZ-Kameras erledigt: zum Beispiel bei Pressekonferenzen. Zwischen den Sitzpositionen der Interviewten hin und her zu wechseln, ist die leichteste Übung für eine PTZ. Ein weiterer Grund, warum diese Kameras gerade jetzt einen regelrechten Boom erfahren: sie vereinfachen das Social Distancing.
Als weiterer Vorteil von PTZ-Kameras kann man auch den Anschaffungspreis sehen: Für den Preis eines Camcorders mit SDI-Ausgang bekommt man auch schon eine PTZ-Kamera.
Natürlich sind PTZ-Kameras nicht die Antwort auf alle Fragen. Wer schon einmal mit einer PTZ im Close-up eine Verfolgungsfahrt machen musste, der weiß, wie schnell man über das Ziel hinausschießen kann. Presets speichern und schöne Blickwinkel finden ist das eine, spontane Livefahrten umzusetzen aber das andere. Es bedarf guter PTZ- Kameras und viel Übung im Umgang mit dem Steuerpult, wenn man ansprechende Fahrten mit einer PTZ-Kamera realisieren möchte. Doch auch wenn das nicht nötig ist und man nur von einem Preset zum anderen wechselt, muss man häufig Abstriche machen. Die Preset-Fahrten vieler PTZ-Modelle sind nicht geeignet die Bewegungen live zu zeigen. Hier muss man zu namhaften Herstellern übergehen und für die Topmodelle tiefer in die Tasche greifen. Auch das Pult oder die Software zur Steuerung spielen hierbei eine Rolle: Wird stumpf eine Endposition an die Kamera kommuniziert, oder wird auch der Weg dahin beschrieben? Kamerabilder leben von Bewegung und in vielen Fällen entstehen in PTZ-Setups nur statische Bilder, bei denen die Schwenks zwischen den Positionen „im Off“ passieren. Ein weiterer Faktor ist die Bildqualität. Die Bildqualität des Camcorders wird die der PTZ-Kamera der gleichen Preisklasse fast immer schlagen. Wenn man PTZ-Kameras mit Camcordern oder gar Studiozügen mischen will, kommen weitere Herausforderungen hinzu: Die Optionen zur Bildeinstellung variieren stark von Hersteller zu Hersteller und häufig ist die PTZ der kleinste gemeinsame Nenner, auf den man sich einigen muss. Das kann so weit gehen, dass man die PTZ eben nicht so oft „live“ schaltet, wie die anderen Kameras. Auch hier gilt, dass man das bekommt, was man gewillt ist zu bezahlen. PTZ-Kameras können durchaus gute Chips und Features haben und ansprechende Qualität abliefern.
PTZ-Kamera ist nicht gleich PTZ-Kamera. Welche Features besondere Aufmerksamkeit erhalten und welche vernachlässigt werden, ist sehr unterschiedlich.
1. Steuerprotokolle
Die Steuerdaten werden entweder per Ethernet oder über eine serielle Schnittstelle übertragen. An den seriellen Schnittstellen werden die Daten per RS-232, RS-422 oder RS-485 kommuniziert und benötigen eine dedizierte Datenleitung zur Kamera.
Bei den Steuerprotokollen für PTZ-Kameras begegnet uns ein gesammeltes Durcheinander: VISCA, VISCA over IP, Pelco D, NDI, Panasonic, JVC, Vaddio, PTZoptics, NewTek, Bolin … um nur einige zu nennen. Mit VISCA, VISCA over IP, Pelco D und NDI kommen wir Standards am nächsten. Viele Hersteller unterstützen eine dieser Steuermöglichkeiten. Aber auch hier ist Aufmerksamkeit geboten: Eine Hersteller-Eigenheit im Header eines Protokolls oder ein Konflikt zwischen Firmwareversionen kann schon reichen und die neuen Kameras spielen plötzlich doch nicht mehr mit dem alten Bedienpult, oder andersherum.
Eine PTZ-Kamera ohne adäquate Steuerung ist ihr Geld nicht wert. Hersteller empfehlen die eigenen Pulte und wer komplett neu kauft, oder Hersteller-treu erweitert, ist hier fast immer genau richtig. Es gibt auch hochwertige Bedienpulte von Drittanbietern wie Skaarhoj, welche ab Werk verschiedene Herstellerprotokolle unterstützen und auch die Tally-Kommunikation mit ATEM-Pulten ermöglichen. Neben dem Pult kann auch eine Bedienung per Software interessant sein. Dies kann als Feature einer Videomix-Software wie vMix oder Wirecast erfolgen, oder als alleinstehende Lösung, wie z. B. mit Produkten von RocoSoft. Zudem werden mehr und mehr PTZ-Protokolle zu den etablierten Mediensteuerungen hinzugefügt. Auch hier gilt es zu prüfen, welche Kameratypen und welche Protokolle von der Software unterstützt werden und welche Einstellungen darüber vorgenommen werden können. Bei Softwaresteuerungen gibt es sogar Varianten inklusive Gamepad-Steuerung. Damit gehört der Xbox Controller fortan offiziell ins Tool-Case.
Obwohl fast alle modernen PTZ-Kameras über ein Webinterface verfügen, heißt es nicht, dass alle Funktionen über den Browser erreichbar sind. Eine Live-Vorschau des Kamerabildes ist den Modellen mit integrierten Streaming-Encoder vorbehalten. Einigen Kameras fehlt sogar die PTZ- Steuerung im Webinterface. Die meisten Hersteller bieten inzwischen zusätzliche Software zur Steuerung ihrer Modelle an. Wer das nicht möchte und einen gut ausgestatteten Browserzugang bevorzugt, findet hier ein Kaufkriterium.
Für kleine Änderungen und das gelegentliche Anpassen von Festeinstellungen reicht auch die Infrarot-Fernbedienung. Kameras lassen sich per Dipschalter in einem kleinen Bereich adressieren und eine Fernbedienung kann mehrere Kameras steuern. Zu guter Letzt kommen auch Apps für Android und iOS zur Kamerasteuerung infrage.
Früher hatten PTZ-Kameras einen Composite-Ausgang, einen SDI-Ausgang, oder beides. Es gab einen Anschluss
für das Datenkabel, einen Stromanschluss und viel mehr musste man nicht in Erwägung ziehen. Die Auswahl fiel entsprechend leicht. Heutzutage kommen mehr Übertragungswege infrage:
SDI
SDI ist nach wie vor der Standard. Inzwischen gibt es PTZ-Kameras mit 12G-SDI-Ausgängen.
HDMI
Der HDMI-Ausgang findet sich so häufig an Geräten wie der SDI-Ausgang, oft sind sogar beide vorhanden.
IP-Streaming
Da PTZ-Kameras in IT-Netzwerken ihre Heimat gefunden haben, liegt es nahe, auch das Bildsignal als Video over IP bereitzustellen. Mögliche Protokolle sind u. a. RTMP, RTMPS, RTSP und SRT.
NDI & NDI|HX
Der Vorteil von Full-NDI-Ausgängen liegt in der geringen Latenz und geringeren Kompression. Birddog hat sich mit der Full-NDI-Übertragung einen Namen gemacht. Inzwischen finden wir das Feature auch in Produkten anderer Hersteller, wie zum Beispiel bei der Panasonic AW-UE100 (ein HandsOn zur AW-UE100)
NDI|HX erzeugt ein größeres Delay, ist aber bei vielen PTZ-Kameras ein optionales Feature, welches per Lizenz installiert werden kann. Für etwa 300 Euro wird die „normale“ PTZ-Kamera NDI|HX tauglich. Das kann ein starkes Feature sein. Das größere Delay und die stärkere Kompression sprechen aber nicht für einen Einsatz von NDI|HX-Signalen im Sendebild, wenn man mit schnelleren und hochwertigeren Feeds mischen möchte.
HD BaseT
Mit HD BaseT bietet sich eine weitere Option, vorhandene Strukturen zu nutzen. Direkte CAT-Verbindungen werden zu potenziellen Videoleitungen.
Composite, Component, S-Video
Auch moderne PTZ-Kameras können noch über „alte“ Monitor-Ausgänge verfügen. Das kann dabei helfen, die Kameras in bestehende Systeme zu integrieren oder in einer alten Hausverkabelung auf einen Backstagemonitor oder auf die Brücke mit den Followspots zu routen.
Spannungsversorgung
PTZ-Kameras an den entlegensten Orten platzieren zu können, bietet umso mehr Reiz, wenn man selbst die Spannungsversorgung über PoE realisieren kann.
Genlock
Genlock ist keine Selbstverständlichkeit an PTZ-Kameras. Häufig vorhanden, aber eben kein Muss.
USB
Wer sich PTZ-Kontrolle für die Webcam wünscht, wird auch hier fündig. Hersteller wie PTZOptics bieten auch Modelle mit USB Streaming-Ausgang an.
Audio-Input
Es gibt Kameras mit integrierten Mikrofonen oder einem Audioinput. Die Audiosignale werden dann in das SDI-, HDMI- oder Streaming-Signal embedded und stehen an Empfängerseite zur Verfügung.
In Sachen Bildqualität holen PTZ-Kameras zu konventionellen Kameras auf, sind aber noch ein Stück von Kamerazügen und EB-Kameras entfernt. Wie detailliert die Farben des Bildes manipuliert werden können und welche Qualität diese Bearbeitung tatsächlich hat, variiert stark zwischen Herstellern und Modellen. Viele Stellrädchen sprechen nicht automatisch für eine bessere Bildqualität und können die Arbeit sogar erschweren und verlangsamen. Zum Standard sollten Optionen für Weißabgleich, Blende, Shutter, ISO/ Gain, Auflösung und Frequenz gehören. Dabei ist auch darauf zu achten, an welcher Stelle die Optionen zur Verfügung stehen. Sollte eine wichtige Funktion nur per Dipschalter am Gerät verfügbar sein, ist die Kamera natürlich nicht die beste Wahl für eine Montage hoch im Dach.
Wesentliche Unterschiede werden in der Steuerung der PTZ-Funktionen ersichtlich. Wie groß sind Pan- und Tilt-Bereich? Welchen Betrachtungswinkel hat die Kamera, wie groß ist der Zoombereich? Kann man die Geschwindigkeit der Bewegungen anpassen? Wie feinfühlig sind Joystick und Softwaresteuerung?
Auch das Verhalten beim Ziehen der Blende und Änderungen im Shutter sollte man sich genau anschauen: manche PTZ-Modelle blenden sehr smooth, andere erzeugen harte Sprünge, die man nicht im „On“ sehen möchte. Darüber hinaus zählen natürlich die gleichen Kriterien, die bei jedem anderen Kamerakauf eine Rolle spielen.
Das wichtigste Feature sind Presets. Doch welche Kameraeinstellungen werden im Preset gespeichert und welche nicht? Wieviele interne Speicherplätze hat die Kamera zur Verfügung und wie verhält sie sich beim Laden von Presets, die nicht im internen Speicher liegen, sondern von einer Software oder einem Pult gesendet werden? Lassen sich Geschwindigkeiten für das Aufrufen von Presets festlegen? Sorgen Bildstabilisatoren für weiche Fahrten, oder zittert das Bild? Kann man Werte vom Speichern in Presets ausschließen? Es grenzt an eine kleine Katastrophe, wenn alle Presets fertig programmiert sind, sich dann die Farbtemperatur auf der Bühne noch einmal ändert, der Weißabgleich aber nicht global zu ändern ist, sondern in jedem Preset neu geschrieben und gespeichert werden muss. Was überall gleich und logisch sein sollte, ist wieder von Hersteller zu Hersteller unterschiedlich.
Was bei einer Überwachungskamera hinter einem schwarzen Dome verschleiert werden soll, wollen wir mit einem roten Licht betonen. Die Tally-Funktion spielt bei einer Gegenschuss- oder Drum-Kamera wohl keine Rolle, bei zwei bis drei PTZ-Kameras im Streamingstudio wird der Tally aber sehr wichtig. Je nach Workflow passiert die Integration wie von selbst, oder eben genau nicht. Wenn man die Kamera von einem TriCaster aus steuert, klappt es auch mit dem Tally. Wenn ich eine GPIO-Schnittstelle eines Pultes integrieren möchte, muss ich recherchieren, ob und wie die Integration am einfachsten erfolgen kann. Das ist keine Zauberei, aber bedeutet trotzdem Zeitaufwand und Lötarbeiten.
Irgendwie muss die Kamera auch an ihren Bestimmungsort. 1/4 -und 3/4-Zoll-Gewinde gehören zum guten Ton. Viele Hersteller bieten eigene Adapterplatten für die Wand- oder Deckenmontage. PTZ-Kameras lassen sich sowohl aufrecht, als auch kopfüber benutzen. Nicht immer beantwortet sich die Frage nach dem Anschlagpunkt für ein Safety von allein. Ob noch alle wichtigen Ports und Dipschalter an der Kamera erreichbar sind, sobald die Montagehardware angebracht ist, sollte bei Bedarf hinterfragt werden.
Für die Fernsteuerung von Pan, Tilt, Zoom & Fokus muss es keine PTZ-Kamera sein. Wenn die Bildqualität nicht ausreicht und es der Highend-Kamerabody sein soll, bleibt einem nur der Remote Head. Remote Heads, wie zum Beispiel von Varizoom, kosten aber gut und gern ein Vielfaches von PTZ-Kameras.
Das große Plus von PTZ-Kameras ist die enorme Flexibilität und die Vielzahl von Anwendungen. Gleichzeitig ist es auch ein Problem, denn die Unterschiede zwischen den Modellen auf dem Markt sind groß und die eine PTZ, die fast alles kann, ist teuer.
Bei künstlerischen Vorstellungen dient uns die PTZ als Überwachskamera für szenische Abläufe. Bei der Pferdeshow-Tournee stellt das Stagemanagement z. B. freie Wege sicher, bevor der nächste Act in die Manege darf. Die kurzen Aufbaufenster bei einer Tour sprechen für PoE-Betrieb und Video over IP.
In Operetten und Theatern werden szenische Fahrten überwacht oder Choreografien im Blick behalten. Für solche Einsätze ist eine sanfte, TV-taugliche Kamerafahrt zwischen Presets unnötig, das Nachtsichtfeature womöglich aber gern gesehen. Wenn stattdessen eine Aufführung aufgezeichnet werden soll, sind die Winkel und Kameratypen aber womöglich gänzlich ungeeignet.
Bei der politischen Diskussion am runden Tisch greift man lieber zur kleinen PTZ-Kamera, da sich diese besser verstecken lässt und im Pressefoto nicht aufdringlich erscheint.
Ein neues „Do-It-Yourself“-NDI-Streamingstudio im Konzerngebäude katapultiert Full-NDI-Kameras ganz hoch auf die Investliste, auch wenn es vielleicht Abstriche in der Bedienung bedeutet.
Bei Big Brother spielt der Genlock plötzlich eine Rolle und die Presetfahrten und die Pultsteuerung sollten so ansehnlich und präzise wie möglich sein.
Es gibt unzählige Einsatzgebiete für die kleinen Kameraroboter und genau das macht die Auswahl schwer. PTZ-Kameras bieten die Chance, mit wenigen Mitteln große Effekte zu erzielen. Man darf sich nicht scheuen, neue Einsatzgebiete für die Kamera zu suchen und mit Positionen und Winkeln zu experimentieren. Der Zoombereich von PTZ-Kameras ist groß, damit kann und sollte man auch spielen können. Andersherum gilt beim Einsatz weniger Kameras, sich bei der Positionierung nicht an Standards aus der Sicherheitstechnik zu orientieren. In vielen Häusern gibt es gute PTZ-Kameras, die man durchaus szenisch nutzen könnte, wenn sie nicht an so unbrauchbaren Positionen angebracht wären. Wenn es nur zwei Kameras gibt, dann sollte mindestens eine davon auf Höhe der Darsteller positioniert sein. Mit Vogelperspektiven allein erzählt man keine gute Bildgeschichte.
Wenn man einmal so weit ist und die Kameras ihre Einstellungen und Positionen auf Knopfdruck laden, ist es verlockend, diesen Knopfdruck in eine Reihe anderer Automatismen einzubinden. In Zeiten von Companion, Universe, Widget Designer & Co sind komplexe Befehlsketten möglich geworden, ohne steile Lernkurven von Nutzern abzuverlangen. Videomischpulte werden ebenso immer häufiger zur zentralen Steuereinheit für verschiedene Geräte. Schließlich hat man mit dem simplen Einsatz einer PTZ-Kamera noch nicht viel erreicht, man muss ihre Stärken auch ausspielen. Ein gutes Beispiel ist das automatische Anfahren von Kamerapositionen basierend auf Audiosignalen. Der Automixer muss ohnehin entscheiden, welches Mikrofon Vorrang hat. Diese Information lässt sich übersetzen und ein Kamerapreset aufrufen. Zwar gibt es Fehlerquellen, wie beispielsweise hitzige Diskussionen zwischen mehreren Teilnehmern, aber für disziplinierte Talkrunden kann man auch mit einer simplen Programmierung gute, reproduzierbare Ergebnisse erzielen.
Neben der klassischen Veranstaltungsrealität bieten PTZ- Kameras auch eine gute Basis für Virtual, Augmented und Extended Reality. PTZ-Kameras sind sich von Haus aus über ihren Pan-, Tilt-, Zoom- und Fokuszustand „bewusst“. Die Sensortechnik hinzuzufügen, mit der diese Zustandsdaten in Echtzeit ausgelesen und an einen Medienserver gesendet werden, ist kein großer Schritt. Auch hier ist Panasonic Vorreiter und bietet Modelle mit einer FreeD-Schnittstelle zur Übertragung von Positionsdaten. Es ist kein zusätzliches System nötig, welches mühsam an die Kamera angepasst werden muss. Damit werden diese PTZ-Typen besonders reizvoll für virtuelle Studios. Das Gleiche gilt für Augmented-Reality-Anwendungen. Man stelle sich eine Fahrzeugpräsentation vor, bei der Besonderheiten am Objekt mit 3D-Animationen verknüpft werden. Bei PTZ-Kameras ist sichergestellt, dass der Bildausschnitt immer der richtige ist und das reale Bild definitiv korrekt zum virtuellen Content ausgerichtet ist.
Noch einen Schritt weiter geht die Kombination aus Kamera und künstlicher Intelligenz. Schon heute werden Sportveranstaltungen von autarken Kamerasystemen gefilmt, geschnitten und übertragen. Gleiches gilt in Interviewstudios. Firmen wie Pixellot oder Mobile Viewpoint haben sich auf derartige Anwendungen spezialisiert. Dabei kommen sowohl normale PTZ als auch virtuelle PTZ-Kameras zum Einsatz. Die Totale bei einem Fußballspiel behält das gesamte Spielfeld im Blick und wertet die Bildsignale kontinuierlich aus. Der Analyseprozess dauert ein paar Sekunden, stellt aber sicher, dass Ball und Spielgeschehen zu sehen sind. Für eine Liveübertragung auf Stadion-LED-Wände reicht es also noch nicht, für einen Stream ist die Verzögerung hingegen kein Problem. Sicherlich kommt es vor, dass solche Systeme Fehler machen und die Glatze des Linienrichters auch mal als Ball missverstanden wird (so passiert bei einem Spiel des schottischen Inverness Caledonian Thistle FC). Automatische Kamerasysteme werden trotz oder gerade wegen solcher Fehler kontinuierlich besser und den Menschen auch an dieser Position ablösen.
Wie immer, wenn ein Gerätetyp besonders gefragt ist, überbieten sich die Hersteller mit Features und natürlich haben alle immer das beste Produkt im Vergleich zu allen anderen. PTZ-Kameras können in derart vielen Bereichen eine Rolle finden, dass man schon von einer Identitätskrise sprechen kann. Die Hersteller setzen den Fokus sehr unterschiedlich und die Recherche vor dem Kauf wird umso wichtiger. Im Fokus sollte die Anwendung stehen, in der sich die Kamera in 90% der Fälle wiederfindet. Erst wenn der Einsatzbereich klar definiert ist, kann man überhaupt mit der Kamerasuche beginnen. Das mag banal klingen, aber in dem Chaos um PTZ-Kameras kann man schnell das Gefühl bekommen, etwas zu verpassen und mit etwas Pech springt man voreilig auf den falschen PTZ-Wagen auf. Selbst bei einer kleinen Anzahl von Kameras lohnt sich ein Shootout und der direkte Vergleich zwischen den favorisierten Modellen. Am besten mietet man für die ersten Einsätze Geräte an und achtet auf die Unterschiede im Handling. Workflow und Bedienbarkeit lassen sich nicht aus Datenblättern lesen und Bildqualität schon gar nicht.
Wichtig ist auch, vor dem Kauf die Kompatibilität mit der geplanten Steuerung zu überprüfen. Auch das klingt selbstverständlich. Zahlreiche, frustrierte Foreneinträge lassen aber darauf schließen, dass der Fehler schneller passieren kann, als man denkt. Überhaupt gilt es, die Steuerung zu testen. Auch wenn man erst in der Zukunft über den Kauf eines Bedienpultes nachdenken möchte, schadet es nicht, ein Pult zu mieten und zu testen, ob das Gerät das Geld wert wäre. Ein gutes Pult kann die Kaufentscheidung zu Gunsten eines anderen Herstellers beeinflussen.
PTZ-Kameras sind schon lange ein treuer Begleiter für gleichermaßen kreative und pragmatische Einsätze. Die Qualität und Flexibilität von PTZ-Kameras wird kontinuierlich zunehmen und sobald ein wenig Ordnung in das Protokoll-Chaos kommt, wird die Integration noch leichter fallen. Die Algorithmen KI-basierter Kamerasysteme werden mit exponentiellen Lernkurven das Feld zusätzlich aufmischen und eines Tages selbstverständlich und in Harmonie mit den vielen anderen Kamerasystemen für atemberaubende Bilder sorgen.