Architektur-Lichtdesign von Herbert Cybulska: Der Raum soll sprechen
von Herbert Bernstädt, Artikel aus dem Archiv
Seit dem Wegfall vieler Produktionen 2020 sucht der eine oder andere Lichtgestalter neue Tätigkeitsfelder. Einer, der schon lange den Spagat zwischen Theater und Architektur beherrscht, ist Lighting Designer und mehrfacher Award-Preisträger Herbert Cybulska. Im Interview: Seine Erfahrung beim Übergang zu neuen Aufgaben
Wie rutscht man als Theater-Lichtschaffender in die – doch vermeidlich statische – Architekturbeleuchtung?
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Herbert Cybulska: Bei mir begann es mit einer Opern-Regisseurin, dessen Ehemann Architekt ist. Er fragte mich, ob ich auch mal für ihn arbeiten könnte. Ein Barockschlösschen sollte in ein Luxushotel umgebaut werden. Bis dahin hatte ich von Architekturbeleuchtung keinen wirklichen Begriff, aber wie man Räume wahrnimmt und mit den Farben umgeht, ist aus dem Theater übertragbar, wie ich schnell lernte. Zwei Sachen haben mich beim Architekturlicht genervt:
1. Du musst sehr genau mit einem Budget arbeiten – und das ist immer zu knapp.
2. Du bist sehr festgelegt, was die Leitungen angeht. Im Theater gehst Du hin und platzierst den Scheinwerfer einfach einen Zug weiter hinten oder nach vorne, rückst ihn weiter nach links oder rechts. Aber im ersten Projekt stand ich in einem leeren Raum, in einem Rohbau, eine Einrichtung war nur grob definiert und Du musst dann schon angeben, wo welche Leitungen gelegt werden sollen. Da sitzt dann die Leuchte.
Zu meiner ersten Kirche kam ich, als ich vom Schauspiel Zürich zurückkam. „Du kannst doch Theater beleuchten, kannst Du nicht auch die Kirche bei uns hier in Frankfurt ausleuchten?“ – Das wurde ich gleich zweimal gefragt und bin dann tiefer in das Thema eingestiegen.
Licht, aber keine sichtbaren Leuchten
Wie übertragen Sie die Lichtdramaturgie eines Theaters zu einer Architektur der Geistlichkeit?
Cybulska: Die ersten Fragen sind: Was ist das für ein Raum, was hat er für eine Eigenschaft, wie ist er baugeschichtlich einzuordnen? Die weiteren Fragen lauten dann: Was muss der Raum denn können, was will der Bauherr mit diesem Raum machen, wie soll er genutzt werden? Die Kirchen, mit denen ich arbeite, sind meist Multifunktionsräume. Sie müssen auch für ein Konzert, eine Dichterlesung, für Solokünstler oder ein großes Oratorium mit Orchester und einem Chor von über 80 Leuten funktionieren. Es stellt sich für mich die Frage, wie der Besucher die Architektur in den unterschiedlichen Nutzungen erleben soll. Wir machen unterschiedliche Angebote zum „Bildhintergrund“. Das kann eine Farbigkeit sein oder ein Lichtspiel, die Betonung eines Bauteils. Es gibt mehr Möglichkeiten, als mit einer Leuchte von unten den Bogen oder eine Säule zu beleuchten. Das wirkt schnell abgegriffen.
Eine Lieblingsforderung von Architekten ist: Ich will das Licht, aber keine Leuchte sehen. Wenn Architekten Leuchten beurteilen, interessiert Sie erst mal die Form der Leuchte und dann die Funktionalität. Wie mache ich die Darstellenden sichtbar? Wie wird der Raum lebendig, das sind für mich die zentralen Fragen. Dafür kann ich das Theaterhandwerk zu Hilfe nehmen mit dem Spiel von Vorderlicht und Gegenlicht, abgestimmtem Seitenlicht, dem Kontrast von warmem und kaltem Licht und dem Spiel mit der Tiefe im Raum.
Was macht die Ausführung in einem historischen Gebäude wie einer Kirche schwierig?
Cybulska: Mühselig sind die Befestigung der Leuchten und die Leitungsführung. Es gibt in alten Kirchen oft keine verlässliche Statik und so wird die Frage, wie und wo man dort bohrt und montiert, schnell knifflig. In fast jedem Projekt haben wir sondergefertigte Leuchten. Das Marktangebot an Leuchten ist groß und vielfältig, aber wenn man sich außerhalb des Üblichen bewegt, gibt es wenige Leuchten, die man gut in historischen Gebäuden einsetzen kann. Ich mache zurzeit kein einziges Projekt, bei dem der Denkmalschutz nicht mitspricht. Da spielen der Baustil, die Größe, die Anmutung, die Positionierung im Raum eine wichtige Rolle. Zudem gibt es Wände, Decken und Gewölbe mit historischer Bausubstanz, die geschont werden müssen. Dafür muss man oft Dinge entwickeln, damit es passt. Dabei erfinde ich nicht das Rad noch mal neu, sondern nehme vorhandene Systeme und lassen sie entsprechend modifizieren. Z.B. bestimme ich das Innenleben einer Leuchte mit Technikern, damit die Lichtqualität stimmt, aber das Gehäuse muss dann eine andere Form, Farbe und Montagemöglichkeit haben. Das lassen wir dann bauen. Oder man findet eine Leuchte am Markt, aber die lichttechnisch passenden Systeme sind rechteckig oder zu bauchig oder schlicht zu nüchtern. Was dort benötigt wird, ist aber z. B. eine Ellipsenform, die sich der Architektur anpasst. Dann lassen wir die Gehäuse ändern.
Auch die Halterungen sind oft knifflig. Bei den historischen Gebäuden haben sechs gleich wirkende Säulen meist unterschiedliche Maße. Dann fängt Getüftel an. Aber wenn es gelöst ist, hat man eine sehr gute Lösung, passend wie ein maßgeschneiderter Anzug oder ein auch maßgefertigtes Paar Wanderschuhe.
Was war Ihr bisher größtes Projekt?
Cybulska: Das zeitlich längste? An der Lichtgestaltung für „The Square“ am Frankfurter Flughafen habe ich mit einem mehrköpfigen Team fünf Jahre lang gearbeitet. Das war eine neue Erfahrung. Während der Bauzeit haben die direkten Ansprechpartner, die Elektroingenieure und Bauleiter mehrmals gewechselt. Es standen sich auch oft zwei Lager gegenüber, die mit harten Bandagen kämpften. Oft geht es um Behinderungen, weil Voraussetzungen für die Arbeit fehlen oder um Nachträge oder auch um schlampige Ausführungen, dann gibt’s Mängelrügen.
Dagegen gibt es im Theater, wenn ich als Lichtdesigner eine gute Idee habe, sehr viel weniger Streit – und der ist inhaltlicher Art. Nur wenn ich als Lichtdesigner nicht weiß, was ich will, gibt es Gerangel, denn dann ist man nicht in der Lage, seine Idee zu verteidigen, weil man ja selber nicht weiß, wo man hin will.
Schlechter Ruf durch Energiesparlampen
Welches Projekt hat Sie am meisten inspiriert?
Cybulska: Das Kloster Jerichow ist der älteste romanische Backsteinbau Norddeutschlands. Bei der Vorbesichtigung war ich sehr berührt. Die ganze Anlage, die heute als Museum und für Konzerte genutzt wird, atmet Geschichte. Der Kirchenraum hatte keine elektrische Beleuchtung, geschweige denn eine Heizung. In den über 1.000 Jahre alten Mauern haben wir das erste Mal elektrisches Licht installieren lassen. Das Kloster ist ein Identifikationsort für die Menschen in Jerichow. Sie waren misstrauisch, als sie hörten, dass LED-Beleuchtung reinkommt. Sie hatten die schlechte, kaltweiße Lichtqualität vor Augen hatten, die sie aus dem Baumarkt kennen. Als sie unsere Lösung sahen, waren sie ganz angetan. Warmes LED-Licht mit sehr hoher Farbwiedergabequalität hatten sie bis dahin einfach noch nicht erlebt.
Was sind für Sie die größten Planungssünden?
Cybulska: Bei den Kirchen habe ich oft die Feststellung machen müssen, dass die Leute sagen: „Es ist hell, aber wir können nichts lesen.“ Und schaut man in die Decke, sieht man eine Pendelleuchte, die mal für eine Halogenlampe gedacht war, aus der über 5 cm eine kompakte Leuchtstofflampe – im Volksmund Energiesparlampe genannt – über den Reflektor heraus. Der Reflektor ist gar nicht dafür gebaut, die Lichtquelle ist dafür komplett falsch. Das ist ein grober Missbrauch von Beleuchtungskörpern. Wenn man dann eine neue Lichtquelle einsetzt, in der Regel LED mit hoher Farbwiedergabe, dann ist es, als ob die Sonne aufgeht. Selbst gute Gemälde hat man gar nicht richtig erkennen können durch die grünstichigen Energiesparlampen. Die Rottöne sind einfach weg. Mit einem Spot von CRI >90 beleuchtet sieht das Bild ganz anders aus, es wird lebendig. Den Leuten gehen dann im wahrsten Sinne des Wortes die Augen auf.
»Oft ist das ein grober Missbrauch von Beleuchtungskörpern. Selbst gute Gemälde hat man durch die grünstichigen Energiesparlampen gar nicht richtig erkennen können.«
Herbert Cybulska trifft oft auf Skepsis, weil Leuchten durch Baumarktleuchtmittel abschreckten
Katholisch vs. evangelisch: Oper und Schauspiel
Sie sprachen vorhin auch von verschiedenen Lichtszenerien?
Cybulska: Es gibt oft einen Unterschied zwischen evangelisch und katholisch: Die Evangelische Kirche ist näher am Schauspiel, da gibt es eine klare Wortorientierung. Die Beleuchtungsaufgabe ähnelt der einer Sprechbühne: Man muss die Darsteller gut sehen, damit man ihnen gut zuhören kann.
Katholiken sind dagegen oft eher opernnah in ihren Wünschen: Sie gehen mit den Räumen anders um, arbeiten viel mehr mit Symbolen. Sie haben Bilder, Figuren, wollen die Räume inszenieren. Sie lieben Lichtwechsel. Aber es gibt auch evangelische Kirchen, die eine Rauminszenierung wollen. Wir haben viele Kirchen, bei denen wir Lichtszenen als Folge vorprogrammiert haben wie z. B. die Osternacht wenn es vom Dunkle ins Helle geht. Bei den Katholiken kommt oft hinzu, dass nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil der Altar verschoben werden musste und damit die Zentrierung des Raumes nicht mehr stimmte. Per Lichtregie kann ich den Fokus in einem Raum verschieben, ohne ihn baulich verändern zu müssen. Auch das ist Teil meiner Arbeit. Der Kirchenraum ist neben den üblichen Gottesdiensten, Taufen, Kommunion oft auch ein Meditationsraum. Dafür biete ich verschiedene Lichtstimmungen an, wovon einige reine atmosphärische Lichtstimmungen sind. Der Raum soll sprechen. In seiner Eigenheit. Oft biete ich unterschiedliche Stimmungen für Sommer und Winter an, oder Stimmungsfolgen, in denen sich der Raum weitet und sich dann wieder schließt.
In der Regel kommt eine Gemeinde mit zehn Stimmungen durch den Alltag. Das Besucherlicht, ein Einlasslicht, dazu ein festliches, ein trauriges, ein intimes, ein geheimnisvolles, ein alltägliches und ein kontrastreiches Licht decken die Bedürfnisse an Stimmungen gut ab. In fast jedem Objekt kann man mit einem Tablet weitere Szenen abrufen und kombinieren.
Bild: Herbert Cybulska
Verschiedene Lichtstimmungen für verschiedene Anlässe: „In der Regel kommt eine Gemeinde mit zehn Stimmungen durch den Alltag“
Bild: Herbert Cybulska
Verschiedene Lichtstimmungen für verschiedene Anlässe: „In der Regel kommt eine Gemeinde mit zehn Stimmungen durch den Alltag“
Bild: Herbert Cybulska
Verschiedene Lichtstimmungen für verschiedene Anlässe: „In der Regel kommt eine Gemeinde mit zehn Stimmungen durch den Alltag“
Wie wichtig ist die Bedienphilosophie?
Cybulska: Oberstes Gebot ist die sichere Bedienbarkeit. Ich verplane immer nur Lichtsteuerungen, die auch tatsächlich reine Lichtsteuerungen sind. Denn wir haben manchmal mit Räumen zu tun, bei denen eine Gebäudesteuerung auch das Licht steuern soll, was gelinde gesagt sehr mühsam bis dysfunktional ist. Also KNX z.B. ist super für Klimaanlagen oder sonst was zu steuern. Wenn solche Anlagen dann auch über Bussysteme Licht steuern, sorgt die Verzögerung, bis die Anlage reagiert, für Missverständnisse. Jemand kommt rein, will das Licht einschalten, es passiert nichts. Drückt dann noch mal, es passiert immer noch nichts bzw. es wurde während des Einschaltvorgangs bereits wieder ausgeschaltet.
»Manchmal haben wir mit Räumen zu tun, bei denen eine Gebäudesteuerung auch das Licht steuern soll. Das ist – gelinde gesagt – sehr mühsam bis dysfunktional!«
Herbert Cybulska verbaut grundsätzlich nur echte Lichtsteuerungen
Wichtig ist dabei die Bediensicherheit: Keine doppelte Tastenbelegung. Dass es keine Fallen gibt, wo man aus Versehen etwas umprogrammieren kann und aus der Falle nicht mehr herauskommt. Es muss immer den Knopf geben „jetzt geht alles wieder auf null“ und nun kann man wieder ganz normal aufsetzen.
Am wichtigsten ist, dass die Übergänge gut fließen, die Dimmkurven stimmen. Erst dann entfaltet ein Lichtübergang Kraft … und wenn alles stimmt, einen Zauber, der die Besucher für sich einnimmt.
Auszeichnungen und Wettbewerbe Herbert Cybulska (Auswahl)
2017
Nominiert für den Deutschen Lichtdesignpreis in der Kategorie „Kulturbauten“ für die Lichtgestaltung im Dommuseum Mainz
2016, 2015
„German Design Award 2016“ und Deutscher Lichtdesignpreis in der Kategorie „Kulturbauten“ für Lichtgestaltung in St. Bonifatius, Frankfurt am Main
2012
Deutscher Lichtdesignpreis in der Kategorie „Lichtkunst“ für „Magische Orte“, Inszenierung der Baumskulptur im Gasometer Oberhausen
Deutscher Lichtdesignpreis in der Kategorie „Event und Messe“ für die Inszenierung der Aussichtsplattform im Rahmen der „Lichtströme“ während der BUGA in Koblenz 2011
2011
GE Award & Deutscher Lichtdesignpreis mit Michael F. Rohde in der Kategorie „Museum“ für Schloss Freudenstein, Mineralogische Sammlung
2010
Lichtgestöber Frankfurt, Wettbewerb 1. Platz (als Partner von L-Plan Berlin)
2009
Berlin, Oper Unter den Linden, Wettbewerb 1. Platz
Internationaler Musiktheaterpreis „Music Theatre Now“ für „Il Canto della“ (Regie: Beat Wyrsch)
2008
Parkhaus Chemnitz, Wettbewerb 1. Platz
2007
IF-Award Gold für „Sound 1“ mit „Sounds of Silence“ (mit Susanne Kessler und Petra Eichler)
2006
Auszeichnung des „Novi Sad Infant-Festival of New Theatre“ für „Letters from Tentland / Return to Sender“ (Regie: Helena Waldmann)
1997
Auszeichnung der Impulse 97 für „Vodka Konkav“ (Regie: Helena Waldmann)
Auszeichnung der UNESCO für „Headhunters“ (Regie: Helena Waldmann)
1997 -2011
Deutscher Kritikerpreis der Zeitschrift Tanz international für „Vodka Konkav“ 1997, „Lucky Johnny“ 1998, „Cheshire Cat“ 1999, „Letters from tentland“ 2005, „Letters from tentland Return to sender“ 2006 „Revolver besorgen“ 2011 (Regie/Choreographie Helena Waldmann)