Followspot-System für Lion King im Disneyland Paris
Verfolgungsjagd im Disneyland
von Stefan Junker,
Das Lichtdesign der Neuinszenierung von „Lion King – Rhythm of the Pride Lands 2020“ im Disneyland Paris baut fundamental auf die Integration eines vollautomatisierten Trackingsystems auf
Spektakuläre Bühnenshows haben eine lange Tradition in den Disney-Resorts weltweit. Egal, ob diese nun als Appetithäppchen für „hausgemachte“ Musicals oder Filme, komprimierte Highlight-Shows für Kenner oder schlicht als „Live-Show-Zutat“ in einem gigantischen Entertainment-Cocktail aus Attraktionen, Paraden, Hotels und Restaurants verstanden werden – der amerikanische Konzern versteht es in jedem Fall, sein Publikum mit spektakulären Inszenierungen in den Bann zu ziehen. Ob nun Mickey & Co., Eiskönigin Elsa, Tarzan, Marvel’s Avengers oder der König der Löwen – die oft nur 20 bis 30 Minuten dauernden Shows supporten Highlights und Klassiker aus dem Disney-Universum und wechseln in einem relativ kurzen, oft nur viertel- bis halbjährlichen Turnus. Gelegentlich kehren sie auch nach einer gewissen Auszeit in neuem Gewand wieder auf die Bühne zurück – so auch die Highlight-Show „Lion King – Rhythm of the Pride Lands“ in der Version von 2020.
Für diese Neuauflagen der Shows holt Disney auch gerne externe Dienstleister wie beispielsweise den britischen Lichtdesigner Tim Lutkin ins Boot, um hier von neuen Ideen und kreativem Input aus der Welt abseits von Comic und Fantasy profitieren zu können. Dieser kam nun bereits vor rund zwei Jahren für die Überarbeitung der Show „Marvel – Super Heroes United“ auf die Idee, eine inhaltlich bereits extrem actionreiche Show auch in puncto Beleuchtung mit hohem Tempo und Effekten, gleichzeitig aber stets zielgerichtet und mit deutlichem Fokus auf die Darsteller zu gestalten. Dies legte den Grundstein für eine umfangreiche Integration eines automatisierten Follow-Systems, um so neue und spektakuläre Looks erzeugen zu können.
„Follow Spots sind die Hauptzutat, um die Aufmerksamkeit des Publikums auf den Darsteller auf der Bühne zu locken. Die großen Vorteile sind dabei nicht nur die Möglichkeit, einen Lead-Performer frontal zu beleuchten, sondern ihn in jeder Farbe und aus jedem Winkel zu modellieren und Effekte und Überblendungen mit mehreren Leuchten zu generieren, die mit herkömmlichen Follow-Spots einfach nicht möglich wären. Es bringt eine ganz neue Dynamik in das Design“, so LD Tim Lutkin auf Anfrage von Production Partner. Und COO Paul Roch von ZacTrack, dem österreichischen Hersteller des letztlich verwendeten Tracking-Systems, ergänzt: „Wir wollen nicht das klassische Vorderlicht – zwei Leuchten scharfkantig von vorne in Weiß – ersetzen. Dies kann ein mit dem Stück vertrauter, erfahrener, manueller Verfolger-Fahrer besser als wir. Den Unterschied zwischen manuell und automatisch gesteuerten Scheinwerfern erkennt der Zuschauer nicht, warum soll ich also – abgesehen von einer gewissen Kostenoptimierung – hier in dieses System investieren? Es geht um die Inszenierung – also weshalb der Zuschauer am Ende des Tages aufsteht und applaudiert! Als Techniker war es hier spannend zu sehen, wie ein Kreativer mit einem solchen Werkzeug umgeht, wenn er es von vornherein in seine Denke und seinen kreativen Prozess mit einbaut. Dementsprechend verändert sich ja alles: Welche Leuchte verwende ich, wo verwende ich sie und wie verwende ich diese, um die Aufmerksamkeit auf einen gewissen Punkt zu lenken?“
Für den daraufhin anberaumten Shootout mussten die in Frage kommenden Follow-Systeme neben einigen grundlegenden Vorgaben (funkbasiert, vielfältige Steuerungsmöglichkeiten von Audio, Video, Licht und Kinetik) auch ein ganz spezielles Szenario bewältigen: Einen „Zweikampf“ mit Marvels Superheld Tony Stark alias Iron Man.
Hierbei galt es nicht nur, eine saubere Ortung des unter dem „Metall-Exoskelett“ getragenen Funk-Senders zu gewährleisten, sondern auch die eingebundenen Scheinwerfer präzise und in der benötigten Geschwindigkeit einem dreidimensional im Raum umherfliegenden Superhelden folgen zu lassen – eine Aufgabe, die das System von ZacTrack mit Bravour meistern und so die Entscheider für sich gewinnen konnte. Tim Lutkin drückt es dabei so aus: „ZacTrack ist das beste System da draußen. Wir haben viele andere Systeme getestet, aber ZacTrack hat sich in allen Kategorien durchgesetzt. Wir haben unsere Erfahrung mit dem Team von ZacTrack sehr genossen.“
Grundsätzlich ist bei einem Tracking-System das Thema Genauigkeit der Kernpunkt der Technologie, der die Spreu vom Weizen trennt. Hier gilt es allerdings, nicht nur die Genauigkeit in der Erfassung und Lokalisierung des Targets zu beachten – auch die Genauigkeit der angesprochenen Leuchten, die im schlimmsten Fall nicht für den Follow-Einsatz konzipiert wurden, evtl. schlecht gewartet und/ hinsichtlich Pan/Tilt-Bewegung schlicht zu langsam sind, spielen bei der Bewertung des Systems eine Rolle. Bei ZacTrack ist man sich dieser Problematik bewusst, denn „[…] alle Leuchtentypen haben mit dem System zu funktionieren, da sie Teil des ZacTrack-Produktes sind! Ich muss die Leuchte im Griff haben, nur dann funktioniert die Signalkette“, so Paul Roch ihn unserem Interview. Man habe aus den Erfahrungen der letzten Jahre gelernt, wie man mit Leuchten umgeht – auch mit denen, die man nicht kennt – und deren Fehler mittels eines komplexen Algorithmus so auszumerzen, dass eine im Showbereich ausreichende Genauigkeit erreicht werden kann.
Dementsprechend liegt die Besonderheit des ZacTrack-Systems auch in einer Hochpräzisionsmathematik zur Ermittlung der Scheinwerferpositionierung und -ausrichtung. Hierbei werden insgesamt acht „Freiheitsgrade“ der Leuchte betrachtet und ggf. korrigiert: Neben den „klassischen“ Koordinaten für XYZ im Raum sowie der Rotation um deren Achsen, spielen hier vor allem die physikalischen Grenzen der Leuchte –_also eine Art Soll/Ist-Abgleich zwischen theoretischer DMX-Werteänderung und tatsächlich abgefahrener Gradzahl des physikalischen Scheinwerfers – eine essentielle Rolle.
Man kann sich das in etwa vorstellen wie die Positionierung eines virtuellen Scheinwerfers in einer Visualisierungssoftware: Trotz exakt eingegebener Werte für Koordinaten und Winkel existieren stets Abweichungen zwischen Theorie und Praxis und müssen durch eine Korrektur der „virtuellen Aufhängung“ ausgeglichen werden. Dieses durch die gegenseitige Beeinflussung von XYZ und deren zugehörigen Winkeln sehr komplexe und manuell nahezu unmögliche „Finetuning“ ist somit gleichermaßen Qualitätsmerkmal und Userfreundlichkeit der Software und ermöglicht ZacTrack eine beeindruckende Genauigkeit – vor allem im Zusammenspiel aller notwendigen Komponenten, begonnen vom Funksender des Münchner IOT Profis KINEXON bis hin zu den ausführenden Scheinwerfern.“
Neuauflage: Lion King – Rhythm of the Pride Lands 2020
Die Neuauflage der Show „Lion King – Rhythm of the Pride Lands 2020“ war für das Frühjahr 2020 geplant – bis Corona diesem Zeitplan einen Strich durch die Rechnung machte. Letztlich feierte das Stück seine verspätete Premiere nach Park-Wiedereröffnung am 15. August 2020.
Ziel des Refreshings war es, das Stück – analog der überaus erfolgreichen Avengers-Show – in ein modernes Design-Kostüm zu stecken. Aufgrund der äußerst positiven Erfahrungen mit dem Tracking-System bei der Marvel-Inszenierung entschied sich Tim Lutkin auch bei der der Lion-King-Show für den Einsatz eines vollautomatischen Follow-Systems als fundamentalen Bestandteil des Lichtdesigns – ZacTrack stand auf der Wunschliste des Designers an Position 2 von 6, wie COO Paul Roch im Gespräch nicht ohne Stolz erzählt.
Die Herausforderungen für das Lichtdesign und die Inszenierung beschreibt Lutkin dabei so: „Bei der Gestaltung der Beleuchtung für Disney Parks und Resorts ist es am wichtigsten, in kurzer Zeit eine große Wirkung zu erzielen, da die Show fünfmal am Tag läuft und nur 30 Minuten dauert. Die Beleuchtung ist eine Mischung aus traditionellen Theatertechniken und den Looks von Großkonzerten. Der König der Löwen ist eine große emotionale Reise und erfordert eine feinfühlige Herangehensweise an die Beleuchtung. Gleichzeitig gilt es aber auch, einige große, aufregende Momente zu bieten.“
Konkret bedeutete dies, dass Lion King ein klassisches Musical mit viel Bewegung und Tanz sowie etwas Stage-Kinetik, aber ohne Videotechnik oder andersartige Visuals war, hier also eher traditionell „nur“ mittels Scheinwerfern für Aufmerksamkeit und Abwechslung gesorgt werden musste. Dementsprechend ging es also darum, wie man handwerkliches Wissen um das Spiel mit Helligkeit, Farben, Gobos und auch Effekten von statischen auf bewegliche Objekte transferieren kann, ohne dabei den Fokus auf eben jene Akteure zu verlieren. Hier kam nun das Tracking-System zum Einsatz und konnte eines der Kernfeatures eines automatischen (funkbasierten) Systems voll ausspielen: die stetige Verfolgung von bewegten Objekten auch ohne optische Führung, egal ob vorbereitend am Bühnenaufgang, hinter Vorhängen und in völliger Dunkelheit oder kontinuierlich trotz wiederkehrender Dunkelphasen in Dimmer-Effekten.
Für größtmöglichen kreativen Spielraum waren alle 154 Fixtures der Show im System eingemessen und hinterlegt und konnten vom Designer Cue-by-Cue und je nach Bedarf zur Verfolgung aktiviert werden. Dies ermöglichte eine vollkommen flexible Gestaltung der Szenen, angefangen bei der Auswahl der Scheinwerfer, deren Intensitäten und Farben bis hin zur Verwendung von komplexen Effekten aus der FX-Engine der Lichtkonsole.
Lichttechnisch getrackt wurden dabei alle sieben Hauptdarsteller – neben Rafiki, Simba, Mufasa und Scar auch Nala, Timon und Pumba. Zusätzlich wurden die empfangenen Positionsdaten der Darsteller mittels OSC auch an die Soundscape-Engine von d&b Audiotechnik gesendet, um den Live-Gesang positionsabhängig im Raum platzieren zu können.
Auch 2020 liegen die Hürden für den Einsatz vollautomatischer Trackingsysteme immer noch sehr hoch. Ein vermeintlich kompliziertes Setup, Bedenken hinsichtlich der Zuverlässigkeit und der auf den ersten Blick enorme Aufwand für den Ersatz eines Followfahrers schrecken immer noch zahlreiche potenzielle Nutzer ab – doch alle drei Kritikpunkte sind falsch!
Unzählige Shows zeigen mittlerweile, wie einfach, unkompliziert und vor allem extrem zuverlässig professionelle Tracking-Systeme sind – ZacTrack & Co. dürften hier mittlerweile den in der Praxis oft „zwangsrekrutierten“ und nicht gerade übermotivierten Followfahrern in etwa so weit voraus sein, wie ein Industrieroboter einem neu anzulernenden Fließbandarbeiter.
Weiterhin geht es vor allem aber nicht darum, das klassische Vorderlicht zu ersetzen, sondern vielmehr um eine komplett neue, ohne diese Technik nicht mögliche Art lichttechnischer Gestaltung. Durch die Kopplung von Intensität, Farbe und Form eines Beams mit einer dynamischen Fokussierung auf bewegte Objekte oder Personen lassen sich Looks und Effekte erschaffen, wie sie manuell geführt völlig unmöglich sind.
„Lion King – Rhythm of the Pride Lands“ in der aktuellen Version 2020 im Disneyland Paris ist hier ein weiterer Zeuge der weitreichenden Möglichkeiten dieser Technik, die –_vor allem auch durch preiswerte, nahezu automatisiert einzurichtende und damit auch maximal fehlerresistente „Einstiegsversionen“ wie beispielsweise das neue ZacTrack Smart – definitiv zukunfts- und richtungsweisend ist.