Tiefe Frequenzen werden von den meisten Lautsprechern weitgehend kugelförmig abgestrahlt. Sobald die Strahlerflächen (Membranen und Ports) deutlich kleiner sind als die Wellenlänge des abgestrahlten Schalls, bildet sich keine merkliche Richtwirkung mehr aus und der Lautsprecher wirkt als Punktquelle. In der Beschallungstechnik möchte man das jedoch vermeiden und den Schall lieber gut gerichtet auf die Zuhörer abstrahlen.
Der restliche Raum und somit der Nachhall sollen möglichst wenig beschallt und angeregt werden. Gleiches gilt für die Bühne, wo man auch den Schalleinfall zur Vermeidung von Rückkopplung so gering wie möglich halten möchte. Bei mittleren und hohen Frequenzen gelingt das mit Hilfe von Hörnern oder Line-Arrays oder auch einer Kombination aus beidem bestens. Schwierig wird es jedoch bei tiefen Frequenzen.
Um auch hier ein signifikantes Richtverhalten zu erzielen, können verschiedene Methoden angewandt werden: große Hörner, große Flächen- oder Linienstrahler sowie verschiedene Varianten von Bass-Arrays oder Cardioid-Anordnungen. Im Zusammenhang mit diesen Konzepten kommt das Wort „groß“ mehrfach vor, was auch direkt das Problem verdeutlicht.
Der Subwoofer, der hier exemplarisch behandelt wurde, ist der QSC KS118. In unserem Test bekommt man einen Gesamteindruck vom kompakten Allrounder-Subwoofer
Hörner mit einer ernsthaften Richtwirkung bei tiefen Frequenzen können eine Länge von einigen Metern erreichen und Austrittsöffnungen in der Größe einer Doppeltür aufweisen. Die meisten Konstruktionen dieser Art stammen noch aus der Ära der Röhrenverstärker und wurden von Western Electric oder Siemens als Kinosysteme entwickelt. Einige wenige Neuentwicklung für große Sportstadien oder andere Spezialaufgaben gibt es auch heute noch.
Gleiches gilt für Flächenstrahler, die ebenfalls nur über eine entsprechende Flächenausdehnung ein Richtverhalten für tiefe Frequenzen ausbilden können. Bass-Arrays können als Linie vor der Bühne gelegt werden und bewirken so vor allem ein gezieltes Richtverhalten in der horizontalen Ebene. Ähnliches gilt für geflogene Bass-Arrays als Linienquelle, wo sich das Richtverhalten dann in der Vertikalen ausbildet.
Soll der Aufbau jedoch kompakt und trotzdem wirksam sein, dann empfehlen sich Cardioid-Anordnungen. Erforderlich sind dafür mindestens zwei Quellen, die hintereinander, übereinander oder nebeneinander angeordnet und mit einer entsprechenden Filterung angesteuert werden, sodass in der Summe der beiden Quellen ein Abstrahlverhalten in Cardioid-Form entsteht. Die beiden Quellen können entweder in einem Gehäuse verbaut sein oder aus „normalen“ Subwoofern zusammengesetzt werden.
QSC bietet beide Möglichkeiten: Der KS212C arbeitet als integrierter Cardioid mit zwei 12″-Bandpasssystemen in einem Gehäuse. Der KS118 verfügt über Filtersetups, die sich für Cardioid-Anordnungen mit zwei oder drei Subwoofern eignen. Die zweite Variante ist zwar flexibler, bietet aber auch mehr Möglichkeiten einer Fehlkonfiguration, wenn die Aufstellung ungünstig ist oder die falschen Setups ausgewählt werden.
Eine mögliche Anordnung für den Cardioid-Aufbau mit zwei KS118 zeigt Abb. 10 mit zwei Subwoofern Rücken an Rücken, die im QSC-Manual als optimal beschrieben wird. Alternativ können auch zwei Frontsysteme in dieser Anordnung zusammen mit einem rückwärtigen Sub eingesetzt werden. Andere Varianten sehen die Anordnung von zwei oder drei Subs übereinander vor, wobei dann jeweils der untere nach hinten ausgerichtet wird.
In den verschiedenen Varianten zeigt sich aber auch schon ein Problem: Jedes Setup verlangt für eine optimale Funktion nach einer individuellen Einstellung, die mit pauschalen Setups Cardioid front/rear nur beschränkt erreicht werden können. Befindet sich, wie bei der KS212C, alles fest in einem Gehäuse, dann gibt es dieses Problem natürlich nicht.
Am Beispiel der Anordnung aus Abb. 10 mit zwei KS118 wurde versucht, die Cardioid-Funktion messtechnisch nachzuvollziehen. Was zunächst einfach klingt, stellte sich im Laufe der Messungen jedoch als echte Herausforderung dar. Es beginnt bereits mit der Problematik, wo man eine Cardioid-Anordnung überhaupt messen kann. Der reflexionsarme Raum, auch wenn er wie in diesem Fall sehr groß ist, scheidet aus, da man immer in den Frequenzbereich kommt, wo der Raum nicht mehr hinreichend reflexionsarm ist. Dann lässt sich die Cardioid-Funktion nicht mehr hinreichend nachvollziehen.
Es bleibt daher nur das Freifeld auf einem Parkplatz. Umgebungslärm, reflektierende Flächen und vor allem Wind führen jedoch auch hier zu Problemen und können die Messungen stören. Der Parkplatz vor dem Labor bot die Möglichkeit, in hinreichendem Abstand die Messungen durchführen zu können. Das Messmikrofon wurde dazu direkt an der linken Gebäudewand als schallharter Grenzfläche platziert. Der Abstand vom Mittelpunkt der Anordnung zum Mikrofon betrug so 8,70 m.
Die zweite relevant reflektierende Fläche war die rechts vom Aufbau liegende Halle in einem Abstand von 13,50 m zu den Lautsprechern. Der Umweg des Schalls für diese erste Reflexion betrug somit 27 m. Nach dem Direktschall erreicht diese erste Reflexion das Mikrofon ca. 82 ms später, sodass sie sich mit Hilfe einer passenden Fensterfunktion gut ausblenden lässt.
Abb. 11 zeigt eine Messung in dieser Aufstellung, bei der zunächst nur der vordere Subwoofer betrieben wurde. Der Direktschall des Lautsprechers trifft nach ca. 26 ms ein. 82 ms später und somit nach 108 ms erreicht die erste Reflexion das Mikrofon. Ein Zeitfenster von 0 bis 100 ms schneidet somit nur den Direktschallanteil heraus und führt zu einem Frequenzgang ohne Welligkeiten durch die Reflexion bei gleichzeitig hinreichender Auflösung.
Für die zweite Messung wurde mit unverändertem Aufbau einmal nur der vordere und einmal nur der hintere Subwoofer betrieben. Ohne Änderungen am Aufbau ließ sich so dank der symmetrischen Anordnung nur durch Muten des einen oder anderen Subwoofers bzw. durch eine Umschaltung der Filter für front und rear das Abstrahlverhalten vorne und hinten messen. Die beiden Kurven in Abb. 12 zeigen die Messungen jeweils 8,70 m vor und hinter der Anordnung beim Betrieb nur eines Subwoofers. Eine leichte Rückwärtsdämpfung ist auch hier schon zu erkennen. Bei 65 Hz beträgt die Differenz ca. 3 dB.
Für die drei folgenden Messungen wurde das Cardioid-Setup komplett betrieben, jedoch mit etwas unterschiedlichen Einstellungen für den hinteren Lautsprecher: Für Abb. 13 wurde das unveränderte „rear“-Setup genutzt. Für die Abstrahlung nach vorne entsteht daraus ein Pegelgewinn von bis zu 4 dB. Die Rückwärtsdämpfung erhöht sich auf 8-9 dB, allerdings nur bis 75 Hz. Darüber hinaus verringert sich der Wert bis auf 0 dB.
Stellt man bei einem ansonsten unveränderten Aufbau für den hinteren Subwoofer noch zusätzlich 2 ms Delay ein, dann verändert sich das Bild deutlich. Abb. 14 zeigt eine etwas schwächere Abstrahlung nach vorne, dafür aber eine deutlich verbesserte Rückwärtsdämpfung in einer Größenordnung von 10-20 dB, die auch für den gesamten relevanten Frequenzbereich erhalten bleibt. Für die dritte Messung (Abb. 15) wurde der hintere Subwoofer zusätzlich noch um 2 dB im Pegel reduziert, was für die Abstrahlung nach vorne keine merkliche Auswirkung hatte, die Rückwärtsdämpfung aber nochmal etwas verbessert.
In der Diskussion der Ergebnisse mit Remi Vaucher (bei QSC verantwortlich als Sr. Technical Director and Product Manager) erklärte sich dann ein gewisses Dilemma, in dem man als Entwickler für variable Cardioid-Systeme steckt: Entweder gibt man einen festen Aufbau vor, für den die Filtereinstellung optimiert ist, oder man versucht einen Mittelweg für verschiedene Varianten zu finden, der dann für den jeweiligen Einzelfall natürlich nur einen Kompromiss darstellt. Alternativ könnte man auch noch für jeden Aufbau eine spezielles „rear“-Setup definieren, wo dann aber wieder die Gefahr der Fehlbedienung steigt. Grundsätzlich zeigen unsere Messungen schon, wie sensibel ein Cardioid-Aufbau auch auf kleine Änderung im Delay und/oder Gain reagiert.
Möchte man einen Cardioid-Aufbau mit beliebigen Subwoofern selbst konfigurieren oder optimieren, dann kann man wie in den nachfolgenden Schritten beschrieben vorgehen – Voraussetzung dafür ist der entsprechende Freiraum für die Messungen. Nachdem die Subwoofer in der gewünschten Anordnung aufgebaut sind, platziert man je ein Messmikrofon hinreichend weit (min. 4 m) vor und hinter dem Aufbau. Dann betreibt man zuerst nur den oder die vorderen Lautsprecher und misst deren Frequenz- und Phasengang vor und hinter der Anordnung. Danach erfolgt der gleiche Vorgang nur für die hinteren Lautsprecher.
In Abb. 16 sind das die Messungen, die jeweils an den Mikrofonen abgebildet sind für die Front-Systeme mit roten Kurven und für die Rear-Systeme mit blauen Kurven. Um hinten eine optimale Auslöschung zu erzielen, kann man jetzt zunächst versuchen, das vom hinteren System nach hinten abgestrahlte auf den Frequenzgang der vorderen Systeme in der hinteren Position anzupassen. In der Regel genügt hier bereits ein einfaches Tiefpassfilter und eine kleine Gain-Anpassung.
Jetzt kommt der entscheidende Schritt, bei dem man in der Phasendarstellung versucht, auch die Phasengänge in einem möglichst weiten Frequenzbereich zur Deckung zu bringen. Im Beispiel aus Abb. 16 bedurfte es dazu eines Delays von 2 ms. Das Delay zusammen mit der Phasendrehung des Tiefpassfilters für den hinteren Weg bewirkt nun genau das, was die kleine Skizze in der Mitte von Abb. 16 zeigt: Dass der hintere Lautsprecher aus der Perspektive des hinteren Mikrofons an die Stelle des vorderen Lautsprechers wandert. Beide Lautsprecher befinden sich jetzt virtuell in einer Position und verfügen aus der Sicht des hinteren Mikrofons über sehr ähnliche Frequenz- und Phasengänge.
Polt man jetzt den hinteren Lautsprecher um, dann kommt es auch wieder aus der Sicht des hinteren Mikrofons zur gewünschten Auslöschung. Die dafür in diesem Beispiel erforderliche Filtereinstellung in Amplitude und Phase zeigen in Abb. 16 die beiden Grafiken in der oberen Mitte. In der etwas größeren Grafik links oben finden sich für die Position vorne die Anteile des vorderen Lautsprechers (rot) und des hinteren (blau) sowie deren Summe (grün). Eine vergleichbare Grafik rechts oben in Abb. 16 zeigt die Frequenzgänge an der hinteren Position. Vergleicht man die Summenfunktionen für vorne und hinten, erkennt man eine Rückwärtsdämpfung in einer Größenordnung von 20-40 dB zwischen 40 und 85 Hz.