Open Control Architecture – Protokoll zur Fernsteuerung
von Christiane Bangert,
Während die verschiedenen Audionetzwerke wie Dante, AES67 oder AVB lebendig diskutiert werden, schlich sich seit 2015 ein herstellerübergreifender Standard für die Fernsteuerung an: die Open Control Architecture. d&b setzt OCA zur Fernbedienung der Systemverstärker D80 ein und war damit einer der Pioniere im Einsatz des offenen Kommunikationsprotokolls.
Das wäre doch mal hilfreich: Geräte unterschiedlicher Hersteller – zum Beispiel ein digitales Mischpult von Firma A im Saal und ein Mikrofonvorverstärker von Marke B auf der Bühne – können sich gegenseitig steuern.
Das hört sich doch erst einmal gar nicht so problematisch an … scheitert in der Praxis aber schon an der Wurzel: die Mikrofonvorverstärker verstehen die Sprache der Mischpulte nicht, wenn sie von unterschiedlichen Herstellern stammen. An dieser Wurzel setzt OCA an und definiert ein Kommunikationsprotokoll, das offen zugänglich und schon recht bald als AES-Standard veröffentlicht werden soll.
Visionär gedacht ist das Ziel, von einem Gerät des Herstellers A einen Befehl (z. B. zum Stummschalten eines Kanals oder zum Anheben des Pegels) zu einem Gerät des Herstellers B, C oder D zu schicken, so dass dieser verstanden wird. Für die Steuerung und Überwachung müsste das gleiche Protokoll verwendet werden, so dass die Kommunikation ohne aufwändige Übersetzung möglich ist.
Dabei ist d&b nicht alleine mit dem Gedanken, dass es sinnvoll wäre, wenn nicht alle Hersteller ihr eigenes Süppchen bei der Steuerung kochen. In der OCA Alliance sind daher Attero Tech, LLC, Audinate Pty, Ltd, Bittner Audio Int. GmbH, Bosch Communications Systems, d&b audiotechnik GmbH, Focusrite, Harman Professional Group, LOUD Technologies, Inc., PreSonus, Rational Acoustics, LLC, RCF spa, Stage Tec, TC Group und Yamaha Commercial Mitglieder.
Bei einem Besuch bei d&b in Backnang erklärten uns Marc Weber (Leiter der Marketing-Gruppe der OCA Alliance und Produktmanager bei d&b) und Martin Renz (Leiter des OCA-Entwicklungsteams bei d&b), warum sich d&b für OCA entschieden hat und sich in der OCA Alliance engagiert.
Bei OCA geht es ausschließlich um die Steuerung, nicht um den Transport von Audiosignalen. „Für den Programmtransport gibt es verschiedene Alternativen wie Dante, AVB, AES67 etc.“, so Marc Weber.
„Bei der Systemkontrolle existiert meines Wissens kein anderer Ansatz, hinter dem mehrere Hersteller stehen.“ Die potenzielle Zusammenarbeit von Geräten unterschiedlicher Hersteller ohne Verständigungsprobleme waren für d&b nicht der einzige Grund, warum sie sich für OCA entschieden haben. „Das Protokoll ist wirklich sauber entwickelt“, so Marc Weber.
„Die Reaktionszeit ist dementsprechend schnell, man hört und sieht z. B. Pegeländerungen durch eine Snare oder Bass-Drum auf der Software-Oberfläche verzögerungsfrei. Das war bei der Nutzung des CAN-Busses doch leicht zäher. Durch die schnelle Reaktion von OCA fühlt sich verteiltes DSP – z. B. für die User EQs in Verstärkern – an, als wenn man mit nur einem zentralen Equalizer am FOH arbeitet.“
Das Fernsteuern der Systemverstärker mit der R1-Software hat bei d&b Tradition. Dem Systemgedanken folgend gehören zu einem d&b-System immer Lautsprecher und Verstärker mit den d&b-eigenen Systemeinstellungen und Möglichkeiten, die Systeme auf die jeweiligen anwendungsspezifischen Bedingungen anzupassen. Dazu dienen die Remote-Software und das Remote-Netzwerk, das bisher auf dem Protokoll CAN-Bus basierte.
Der CAN-Bus ist als Industriestandard aber auch als robust bekannt und konnte viele Geräte steuern. Diesen Anforderungen muss der Nachfolger natürlich auch gerecht werden. Mit seiner Netzwerkfähigkeit auf TCP/IP-Basis wurde OCA als passender Nachfolger eingestuft.
„OCA ist ein beeindruckendes Protokoll“, erklärt Marc Weber. „Und bei der Optimierung und Anpassung des Protokolls an unsere Anwendungen hat Martin Renz federführend mit am Tisch gesessen.“
Der vierkanalige D80-Verstärker (4 × 4.000 W an 8 Ohm bei einem Crestfaktor von 12 dB, Test & Messungen in PRODUCTION PARTNER 3/2014) ist der erste Verstärker aus dem Hause d&b mit OCA-Schnittstelle. Zu den Aufgaben des OCA gehört u. a. die Steuerung der Signalbearbeitungsfunktionen mit Delays bis zu 10 s (3.440 m) und zweier 16-Band-Equalizer mit parametrischen, Notch-, Shelving- und asymmetrischen Filterfunktionen.
Die Netzwerkeinbindung betrifft nur die Fernsteuerung, die Audiosignale werden weiterhin über AES/EBU oder analoge Signale in die d&b-Verstärker eingespeist. „Es ist ein ausgezeichneter Vorteil von OCA, dass es unabhängig von der Art ist, wie die Audiosignale ausgetauscht werden“, so Marc Weber. „So bleiben alle Optionen offen.“
OCA soll auf der Programmierungsebene das leisten, was bisher herstellerspezifische Steuerprotokolle ermöglichten: Wenn auf einer Bedienoberfläche ein Parameter geändert wird, dann versteht das Gerät den Befehl und ändert die Einstellung entsprechend.
Was allerdings genau passiert bei der Änderung eines Parameters, das hängt nach wie vor vom Gerät und Hersteller ab. Denn bei OCA geht es nicht darum, Geräte und Funktionen zu standardisieren, sondern die Methode der Interaktion mit Parametern und Funktionen.
Ein Grundsatzpapier der OCA Alliance verdeutlicht das an MIDI: Wenn man ein Keyboard per MIDI an einen Tongenerator anschließt und eine Taste drückt, wird die Nachricht an den Tongenerator weitergeleitet und die entsprechende Funktion ausgelöst. Wie sich der Ton aber anhört, das hängt von den Algorithmen ab, die der Hersteller definierte – die Nachricht selber hat nichts mit der inneren Arbeit des Tongenerators zu tun.
So ist es auch bei OCA: ein bestimmter Befehl beeinflusst einen bestimmten Parameter in einem Gerät. Was aber genau intern im Gerät passiert, bleibt dem Hersteller überlassen. Und muss es auch, denn die Forschung und Entwicklung, die ein Hersteller z. B. in einen speziellen Algorithmus für einen Kompressor investiert hat, die wird er ja nicht anderen offen zur Verfügung stellen wollen.
Was er aber vielleicht schon möchte, ist die Möglichkeit, diesen Kompressor von einem Mischpult aus aktivieren zu können, egal von welchem Hersteller das Mischpult ist.
Bosch und d&b waren die ersten Hersteller, die das Protokoll OCA im Feld eingesetzt haben. Dadurch hat d&b einiges an Entwicklungsarbeit geleistet. „OCA basiert auf einem Protokoll, das Bosch entwickelt hat“, berichtete Martin Renz.
„Das Protokoll wurde zusammen weiterentwickelt, um es zum Beispiel auch an unsere Anwendungen anzupassen. d&b hat die Referenz-Implementation von Bosch gekauft, um schneller eine Lösung zu haben. d&b und Bosch sind dann gemeinsam durch die ersten Implementationsschritte gegangen. Einige wirklich kniffeligen Fragen tauchten dann in der Praxis auf, als z. B. ein Protokolldienst wie Bonjour auf einmal sehr viele Verstärker auf einmal einlesen musste, und nicht nur ein paar Drucker oder Rechner in einem Netzwerk. Da war noch viel Entwicklungsarbeit notwendig, bis alles nach unseren Ansprüchen funktionierte. Der Vorteil für die anderen Hersteller ist nun, dass wir diese Erfahrungen gerne teilen und deren Implementierungen schneller umsetzbar sind.“
Ein weiterer Meilenstein soll bald mit der AES-Standardisierung (Audio Engineering Society) erreicht sein. Mit der X210-Initiative innerhalb der AES sind die Weichengestellt, sodass OCA – nach Einschätzung von Marc Weber – voraussichtlich im Frühjahr 2015 ein AES-Standard wird. Die Zusammenarbeit mit den anderen Herstellern wird in der OCA Alliance gepflegt. „Wir haben ca. viermal im Jahr persönliche Treffen, am Rande von Kongressen oder Messen“, sagte Martin Renz.
„Wöchentlich gibt es Telefonkonferenzen. Es ist ein sehr kollegiales Verhältnis, jeder wird gehört, Probleme kommen auf die Tagesordnung, Entscheidungen werden einvernehmlich gefällt. Dabei ist es egal, von welcher Firma jemand kommt. Es wird technisch diskutiert und bisher hat die Konsensfindung selbst mit so vielen aktiv beteiligten Firmen ausgezeichnet funktioniert.“
Diskutiert werden auch einige Weiterentwicklungen. So ist OCA an sich nicht auf Ethernet oder IP-Strukturen angewiesen, diese Definition ist lediglich die erste Version. Weiterführende Überlegungen gehen z. B. in Richtung des Austausches der Steuerdaten per USB oder serielle Schnittstellen.
Dass der Anspruch, eine herstellerübergreifende Lösung zu sein, auch in der Realität gerechtfertigt ist, demonstrierten Bosch, d&b, Focusrite und Yamaha bereits gemeinsam auf der 137. AES Convention in Los Angeles: Ein Mikrofonvorverstärker Focusrite RedNet 4, ein Bosch Audio Powering Switch APS (Router und Prozessor inklusive Spannungsversorgung für angeschlossene Geräte) und ein d&b D80 arbeiteten in einem kleinen Steuernetzwerk zusammen.
„Ziel der Demonstration war zu zeigen, dass das Konzept auch in der Praxis funktioniert“, berichtete Martin Renz. „Wir hatten uns drei Tage Zeit genommen, um die Demo vorzubereiten. Wir mussten ja alles so programmieren, dass man bei der Demo auf einer Bedienoberfläche z. B. Kanäle stummschalten oder einen EQ einstellen kann. Es hat alles viel besser funktioniert als erhofft und wir waren nach einem Tag fertig.“
Laut Marc Weber hat sich OCA im Einsatz zusammen mit dem D80-Verstärker bewährt: „Zusammen mit der Fernsteuersoftware R1 V2 hat er die Zuverlässigkeit und Anwendungsfreundlichkeit des Fernsteuerprotokolls OCA auf vielen Touren wie Lady Gaga, Eminem/Rihanna, One Direction oder Festivals wie Glastonbury bewiesen.“
Genauso sind schon Geräte von Bosch mit OMNEO-Schnittstellen im täglichen Einsatz, u. a. in den Electro-Voice-Verstärkern TG-7 mit RCM-28 Steckkarten.
„Nachdem das OCA Protokoll im mobilen Bereich seine Leistungsfähigkeit bewiesen hat, konzentrieren wir uns nun auf die Entwicklung von Lösungen im Installationsbereich“, so Marc Weber.
„Das langfristige Ziel, die Vision von OCA ist: Da es genug Geräte mit OCA am Markt gibt, muss der Integrator nur noch eine Sprache (OCA) lernen, um alle Geräte wie eine Mediensteuerung zu programmieren oder ein Sprachalarmierungssystem mit einem Hochleistungssystem zu integrieren.
Eine solche Vision braucht naturgemäß Zeit, da dafür viele Hersteller ins Boot müssen. Aber genau diese Vision im Installationssektor war für uns einer der Gründe, von Anfang an der OCA Alliance beizutreten und OCA zu implementieren. Denn wenn der Integrator sich nicht mehr mit den vielen, unterschiedlichen Sprachen auseinandersetzen muss, kann er sich mehr auf die Umsetzung der Kundenwünsche – z. B. in der Benutzeroberfläche – konzentrieren.“
Kommentare zu diesem Artikel
Pingbacks