Audiosignale digitalisieren

DAC Converter: DSD statt PCM?

Mit „Direct Stream Digital“ (DSD) legten Sony und Philips einen 1-bittigen Datenstrom ihrer DAC Converter mit dem 64-fachen der CD-Standardabtastrate 44,1 kHz als alleiniges Format für die Super Audio CD (SACD) fest, womit trotz der im Vergleich zur CD vierfachen benötigten Speicherkapazität nur knapp die Qualität von 20-Bit / 96 kHz PCM erreicht wird – im Gegensatz zu den flexiblen Audio-Formaten für DVD und Blu-Ray, die sich in den DAC Convertern bei Bedarf auf bis zu 24 Bit und 192 kHz Abtastrate skalieren lassen. Aber auch die gute alte CD lässt sich mit ein paar wohlbekannten Tricks mühelos auf über 100 dB Dynamikumfang boosten – hier wird daran erinnert, wie.

DAC-Converter

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Die „Erfindung“ des mittlerweile veralteten Digital-Formats DSD war eng an die DAC Converter Technologie der ersten 20-Bit ΔΣ-Audio-AD-Converter und –DA-Converter in den frühen 90er Jahren geknüpft. Deren nur zur Standard-1×-Abtastrate fähigen Modulatoren wurden lediglich mit dem 64-fachen Oversampling betrieben. Ihr Noise Shaping war so ausgelegt, dass sich bis 20 kHz ein gleichbleibend niedriges Grundrauschen, theoretisch in der Summe bis ca. 120 dB unter Vollaussteuerung, ergab und darüber dann sehr steil anstieg.

Ein Blick auf den Signalfluss der AD- und anschließenden DA-Wandlung mit den alten 1-bittigen ΔΣ DAC Converter verrät, dass an den Ausgängen der ΔΣ-Modulatoren auf AD- und DA-Seite äquivalente 1-Bit Signale mit 64-facher Abtastrate erzeugt werden. Hier setzte nun die DSD-Idee an: statt Filterung und Dezimierung auf der AD-Seite der DAC Converter und anschließendem Oversampling und erneute Umsetzung auf 1 Bit im DAC lässt sich das Ausgangssignal des AD-seitigen Sigma-Delta-Modulators anzapfen und direkt auf die Switched Capacitor-Schaltstufe des DAC führen. Genau dieses 1-Bit-Zwischensignal mit 2.8224 Mb/s pro Kanal der frühen ΔΣ-Audio-Converter für die Standradrate wird auf der SACD gespeichert, welche von Sony/Philips nach dem politisch begründeten Rückzug aus dem DVD-A Konsortium als qualitativ hochwertigerer Nachfolger der CD erkoren wurde.

Die auf den ersten Blick einleuchtende Vereinfachung des DA/DA Wandlungsprozesses durch Umgehung der digitalen Filter und Requantisierer warf allerdings eine Fülle von praktischen Problemen auf und wurde in kurzer Zeit eh von der technischen Entwicklung überrollt. Schon bald tauchten nämlich die ersten DAC Converter auf, die mit höherem Oversampling arbeiteten und PCM mit 2×- und 4× Standard-Abtastrate liefern konnten. Bei diesen verschiebt sich der Beginn des steilen Rauschanstiegs um mindestens eine Oktave nach oben.

Die Flaggschiffe der großen Halbleiterhersteller arbeiten außerdem seit geraumer Zeit alle mit Multi-Bit-Modulatoren, bei welchen das für die Verwendung auf der SACD festzementierte 1-Bit Signal intern nirgends mehr vorkommt. Es muss durch einen zusätzlichen digitalen 1-Bit ΔΣ-Modulator verlustbehaftet aus dem mehrbittigen nativen Ausgangssignal des Quantisierers im ADC gewonnen werden. Da dieses aber im normalen Betriebszustand des ADC die doppelte oder gar vierfache Taktrate von DSD für die SACD aufweist, können nur einige wenige existierende Festplatten-Recorder zur Aufzeichnung verwendet oder aber der ADC muss künstlich herunter getaktet werden, wobei seine Performance sinkt.

PCM-DSD-Multibit

In den frühen 90er Jahren waren 20-Bit-ADCs, die mit 64-fachem Oversampling liefen und nur die Standard-Abtastraten bis 48 kHz liefern konnten, der Stand der Technik. Ihr Komparator lieferte einen Bitstream, der in äquivalenter Form auch wieder bei der Wiedergabe in ΔΣ-DACs erzeugt wurde. Dies bewog Ingenieure bei Sony zu der Idee, unter Umgehung der digitalen Anti-Aliasing-Filter auf der Aufnahme- und Wiedergabeseite direkt diesen Bitstream aufzuzeichnen – ungefiltert, mit dem kompletten, ab 20 kHz steil ansteigenden Quantisierungsrauschen. Und so wurden DSD und die SACD, ein Derivat der DVD, geboren.

DSD-fähige Multi-Bit DAC Converter wiederum haben einen extra Tiefpass („DSD-Filter“, in der Praxis ein gleitender Mittelwertbilder) eingebaut, um den 1-Bit-Datenstrom in das benötige 5- oder 6-Bit Signal der DAC-Schaltstufe zu überführen. Somit hat der gesamte Ansatz nicht nur seine Eleganz, sondern auch seine Daseinsberechtigung als puristische Lösung mit weniger Signalverarbeitungsstufen verloren.

Die zunächst ganz einleuchtende Vereinfachung wurde jedoch schnell vom Fortschritt der DAC Converter Technik überrollt. Heutige Converter arbeiten zwecks Erzielung eines Dynamikumfangs von über 120 dB grundsätzlich mit Multibit-ΔΣ-Modulatoren bei 128- oder sogar 256-fachen Oversampling. Das einbittige DSD64-Signal für die Verewigung auf SACD kommt bei ihnen nicht mehr vor – weder von der Frequenz her noch von der Datenbreite.

Es lässt sich bestenfalls verlustbehaftet als DSD128 mit doppelter oder DSD256 mit vierfacher Frequenz erzeugen und auf manchen Recordern aufzeichnen. Für die Produktion und das Mastering von SACDs wird heutzutage aber ganz selbstverständlich auf „normale“ PCM-Aufnahmetechnik mit bis zu 352,8 kHz Abtastrate zurückgegriffen.

Converter: DSD-wide = PCM-narrow?

Ursprünglich war von Sony/Philips vollmundig ein völlig neues Paradigma für digitales Audio ausgerufen worden, bei dem von der Aufnahme über das Editieren, Mixen und Mastern bis hin zum Distributionsmedium nur noch DSD verwendet werden sollte. Schnell mussten aber die Ingenieure einsehen, dass dies unmöglich ist. Jede noch so triviale digitale Signalmanipulation wie zum Beispiel Lautstärkeregelung verwandelt DSD sofort in ein Multi-Bit Signal, welches durch eine erneute ΔΣ-Konvertierung verlustbehaftet wieder in ein 1-Bit-Signal gewandelt werden muss (sofern gewünscht), wobei das Quantisierungsrauschen oberhalb von 20 kHz stark ansteigt. Nach vier oder fünf Operationen dieser Art tritt durch die immer wieder erforderliche Requantisierung mit Noise shaping durch die Akkumulation des hochfrequenten Quantsierungsmülls Übersteuerung auf, selbst wenn Stille als Eingangssignal anliegt!

Um trotzdem den (vermeintlichen) Vorteil aufrecht erhalten zu können, auf der AD-Seite ohne den für Multibit-PCM erforderlichen Dezimationstiefpass auszukommen, schlug das Konsortium „DSD-wide“ als Aufzeichnungs- und Verarbeitungsformat auf den DAWs vor. Der Name ist allerdings irreführend, denn tatsächlich handelt es sich um ein normales 8-Bit PCM-Signal mit 64× Standard-Abtastrate (weshalb es von profilierten Kritikern wie dem Kanadier Stanley Lipshitz gerne despektierlich und durchaus zutreffend „PCM-narrow“ genannt wird).

Im Gegensatz zu „echten“ DSD wie auch PWM-Signalen lässt es sich eben nicht direkt auf einen analogen Tiefpass geben und auf diese Weise hörbar machen, sondern es benötigt wie jedes PCM-Signal eine Wordclock, welche das MSB (most significant Bit) eines jeden Datenwortes markiert. Wegen der schmalen Wortbreite von nur 8-Bit muss nach jeder Signalverarbeitungsstufe außerdem immer noch eine Requantisierung mit Noise shaping durchgeführt werden, wobei durch den um 48 dB gestiegenen Headroom nun aber nicht mehr so schnell Übersteuerung auftritt.

24 Bit PCM übertrifft bereits SACD

Viel günstiger ist in dieser Hinsicht das superhochaufgelöste 24 oder 32-Bit PCM bei 352,8 kHz, welches auf einigen DAWs (zum Beispiel von Merging Technologies) für die SACD-Produktion eingesetzt wird. Allerdings ist das erheblicher Overkill, denn schon die Archivierung mit 24 Bit Wortbreite ab 88,2 kHz Abtastrate ist für die praktisch verlustfreie Bearbeitung von Material, welches auf SACD erscheinen soll, völlig ausreichend. Die theoretisch erreichbare Qualität der SACD liegt nämlich ungefähr auf dem Level von 20 Bit PCM bei 88,2 kHz. Die Protagonisten Sony/Philips behaupten zwar, im Gegensatz zu den „normalen“ Mulitbit PCM-Formaten der konkurrierenden DVD-A würde sich der Frequenzgang auf etliche 100 kHz erstrecken und deshalb eine mit PCM unerreichbare Impulstreue ermöglichen.

Davon hat man aber nichts, denn oberhalb von 20 kHz steigt das Rauschen steil an und erreicht schon bei 70 kHz ein astronomisch hohes Niveau, welches in der Summe sogar deutlich höher liegt als ein vollausgesteuertes Sinussignal.Es muss deshalb hinter dem DAC Converter unbedingt weggefiltert werden (durch Tiefpässe mit einer Grenzfrequenz, die zwischen 30 und 70 kHz variieren kann), da es durch Intermodulation in den nachfolgenden Stufen zur Verschlechterung des SNR im Audiobereich führen würde. Außerdem könnte es Hochtöner unhörbar durchbrennen lassen, sofern nicht eh der HF-Schutz der speisenden Endstufe greifen und dem Spuk ein Ende bereiten würde.

Durch den unverzichtbaren Tiefpass ist das Bandbreiten-Argument ad absurdum geführt. 88,2 kHz PCM bietet eine eben so und 192 kHz eine mehr als doppelt so hohe Bandbreite – ohne hochfrequenten Quantisierungsmüll mitschleppen zu müssen. Mit üblicherweise 24 Bit ermöglichen diese beiden linearen PCM-Formate aber ohne weiteres Zutun schon einen mehr als 20 dB höheren Dynamikumfang im Audiobereich – ohne dass der Noisefloor ab 20 kHz ansteigt.

Das weit verbreitete 24 Bit/96 kHz Format, welches heutzutage von allen Audio-Interfaces geboten wird, belegt trotz gut 20 dB geringerem Noise floor, der zudem bis zur Nyquistfrequenz 48 kHz auf konstant niedrigem Level bleibt, fast 20% weniger Speicherplatz als DSD. Das liegt daran, dass DSD mit einer enormen Menge an informations- und nutzlosem Quantisierungsmüll befrachtet ist, der bei den PCM-Formaten sinnvollerweise ausgefiltert wird. Werden nun für die dafür zuständigen Filter auch noch alias- und ripple-freie kausale Designs mit „schlapper“ Filterflanke eingesetzt, so werden sämtliche Argumente der PCM-Kritiker außer Kraft gesetzt.

Noise dsd64

Rauscht viel weniger und belegt auch noch 20% weniger Speicherplatz: 24 bit / 96 kHz bietet einen erheblich höheren Dynamikumfang als DSD64 für die SACD. Der Grund liegt im tosenden Quantisierungsrauschen, welches auf der SACD unsinnigerweise verewigt wird und in welchem schwache Ultraschall-Oberwellen des Nutzsignals Gefahr laufen, sang- und klanglos unterzugehen.

Inband Noise-shaping

24 Bit PCM bietet mit über 140 dB bereits bei Standard-Abtastrate einen Dynamikumfang, der den unseres Gehörsinns übersteigt und selbst von den besten monolithischen Audio-ADCs bei weiten nicht erreicht wird. Nur Arrangements mit mehreren Convertern, die das Signal mit unterschiedlichen Verstärkungen zugespielt bekommen und per DSP das momentan bestgewandelte heraus fischen, sind dazu in der Lage.

dual range AD-D

Nur mit aufwändigen Schaltungen aus zweien oder mehreren ADCs und DSP-Nachverarbeitung lässt sich der ungeheure Dynamikumfang von 24 Bit Audio tatsächlich ausschöpfen

Beim immerhin schon über 30 Jahre alten CD-Standard mit 16 Bit bei 44,1 kHz erreicht ein korrekt gedithertes (und damit auch bei geringen Pegeln verzerrungsfreies Signal) hingegen „nur“ einen Dynamikumfang, der sich heutzutage mühelos mit winzigen Codecs (DAC Converter und DAC in einem IC) erzielen lässt, die zum Bruchteil eines Euros millionenfach in Mobilgeräten verbaut sind. Ein halbwegs brauchbares AD/DA–Frontend mit 24-Bit-Wandlern für das eigene Heimstudio erzielt hingegen bereits einen Dynamikumfang im Bereich von 110 – 120 dB.

Delta sigma noise shaper

Machen im Prinzip das gleiche und sind ineinander überführbar: ΔΣ-Modulatoren (hier als rein digitale Variante ohne DAC) und Noise Shaper requantisieren ein hochaufgelöstes Eingangssignal in ein Ausgangssignal mit weniger Bits (im Grenzfall einem einzigen). Der dabei entstehende unvermeidliche Quantisierungsfehler wird durch Hinzufügung von Dither in weißes Rauschen umgewandelt. Dieses wiederum wird durch ein Filter im Rückkopplungszweig (welches im einfachsten Fall eine Verzögerung um einen Abtastwert darstellen kann) spektral „geformt“, also gefärbt. Durch diese Technologie werden überhaupt erst Converter möglich, die mit nur 1 Bit deutlich über 100 dB Dynamikumfang erzielen. Steht am Ausgang nur Standardabtastrate zur Verfügung, zum Beispiel beim redbook-kompatiblen Mastern auf das CD-Format, so lässt sich das Quantisierungsrauschen per Inband Noise Shaping in Bereiche geringer Hörempfindlichkeit (oberhalb von 15 kHz) konzentrieren

Erhöhung der CD-Auflösung

Obwohl der Dynamikumfang der CD für praktisch alle Anwendungen und Musikstile ausreicht, erwachte für qualitativ hochwertige Aufnahmen (wozu überkomprimierte Pop-Produktionen per se nicht gehören) schnell der Wunsch, die deutlich gestiegene Qualität aktueller Konverter und Digitalpulte so gut wie möglich auf das betagte CD-Medium mit seiner Standard-1×-Abtastrate herüberzubringen. Und tatsächlich ist eine spürbare Heraufsetzung der Auflösung durch Herabsetzung des Rauschens in relevanten Frequenzbereichen möglich.

Noise shaping lässt sich nämlich nicht nur nutzen, wenn eine höhere als die Standard-Abtastrate zur Verfügung steht, um bequem das Quantisierungsrauschen aus dem Audioband zu unhörbaren Ultraschallfrequenzen zu verschieben (aus den Ohren, aus dem Sinn), sondern auch innerhalb des Audiobandes lässt sich bei der Requantisierung von höheren Wortbreiten und/oder Abtastraten auf das Distributions-Endformat mit Standard-Abtastrate die spektrale Verteilung des Rauschens rearrangieren. Auf diese Weise lässt es sich in den Bereichen, in denen unser Gehör besonders empfindlich ist, deutlich absenken – auf Kosten eines starken Anstiegs in anderen Frequenzabschnitten, in denen wir aber weitgehendst taub sind (insbesondere ältere Semester, zum Beispiel der Autor dieses Textes), also typischerweise oberhalb von 15 kHz.

Die Gesamtleistung des Rauschens im Audioband steigt durch das Inband Noise Shaping allerdings stets an, und zwar um so radikaler, je stärker die Absenkung im unteren Frequenzbereich gewählt wird. Bei Absenkungen, die über ca. 12 bis 15 dB hinausgehen, wird das auf den Bereich über 15 kHz geschobene Rauschen so stark, dass es irritierenderweise auf Pegelanzeigen sichtbar werden und durch Nichtlinearitäten im reproduzierenden DAC Converter und der nachfolgenden Elektronik per Intermodulation wieder auf den unteren Frequenzbereich zurückfallen kann.

noise-shaper Grafik

Drei verschiedene Inband Noise Shaper für die CD im Vergleich: MegaBitMax (ehemals ExtraBit) in „ultra“-Einstellung (Kurve nachgemalt), Sony Super Bit Mapper und Lipshitz 3 Term mit Extrasenke im Bereich größter Hörempfindlichkeit. 0-dB-Linie: Rauschen nur mit Dither, ohne Noise shaping.

Es gibt eine Menge von Inband-Noise-Shapern, deren Eigenschaften durch die Koeffizientenwahl in den Rückkopplungsfiltern bestimmt wird, und jede Recording-Software (Soundforge, Cooledit, Wavelab, Nuendo, etc.) sowie Mastering-Tools haben einen Set von wählbaren Shapern für die Requantisierung eingebaut. Sony’s „Super Bit Mapper“, der in den Topmodellen der DAT-Recorder-Reihe eingebaut wurde (dort aber gar nicht die volle Performance entfalten konnte, weil die eingebauten ADCs dafür nicht gut genug waren), ist ebenfalls nichts anderes als ein gewöhnlicher Inband Noise Shaper.

Die meisten senken das Rauschen unterhalb von 10 kHz gleichförmig ab, andere setzen in Bereichen erhöhter Empfindlichkeit (zum Beispiel um 3 kHz, wo Resonanz im Hörkanal des Ohres auftritt) noch extra Absenkungen ein. Dies hat aber den Nachteil, dass das Grundrauschen stark gefärbt klingt, wenn es hörbar (gemacht) wird. Der allen Shapern gemeine Anstieg des Rauschens bei allerhöchsten Frequenzen ist hingegen auch für Hörer, die diesen Bereich noch wahrnehmen können, nicht unbedingt unangenehm: er kann das Nutzsignal noch etwas luftiger klingen lassen, obwohl das Rauschen gar nicht mit ihm korreliert ist.

sbm-deemp Grafik

Deemphasis zur Herabsetzung des Rauschens ab 1 kHz (rot) und beispielhaftes Noise shaping mit Sony’s „Super Bit Mapping“ (blau). Mit einer Kombination aus beiden (grün) ließe sich das Rauschen im gesamten relevanten Bereich bis ca. 13 kHz um fast 12 dB drücken, was zwei zusätzlichen Bit entspricht und der CD-Wiedergabe in diesem Bereich einen Dynamikumfang von rund 105 dB verleiht.

Pre-/Deemphasis

Besonders effektiv ließe sich In-Band-Noise-shaping einsetzen, wenn es in Verbindung mit einem mittlerweile in Vergessenheit geratenen Feature des CD-Standards genutzt wird: Der schon von den analogen Aufzeichnungsverfahren her bekannten Pre-Emphasis. Dabei werden die Höhen auf der Aufnahmeseite angehoben (wobei der Gesamtpegel nicht oder kaum zurückgenommen werden muss, da die Höhen üblicherweise eine viel geringere Amplitude aufweisen als die Bässe) und auf der Wiedergabeseite (zusammen mit dem Rauschen) durch ein komplementäres Filter wieder abgesenkt.

Bei der CD sind diese Filter (im Gegensatz zum viel aufwändigeren RIAA-Standard für Schallplatten) als extrem einfaches Shelving-Filter ausgeführt, welches sich im analogen als simples RC-Filter aufbauen lässt. Auf der Wiedergabeseite wird die De-emphasis typischerweise schon innerhalb des DAC durch ein digitales Filter durchgeführt (wenn die Kanalstatus-Bits der CD eine vorhandene Pre-emphasis signalisieren), welches auch heute noch in allen Audio-DAC Converter eingebaut ist. Die Kombination der Pre- und De-emphasis Filter auf der Aufnahme- und der Wiedergabeseite erzeugt übrigens keinerlei Phasenfehler, wenn die Filter genau gematcht sind, was sich bei digitaler Auslegung ja leicht garantieren lässt.

Das stärkere Rauschen nahe 20 kHz durch Inband-Noise shaping lässt sich durch die De-emphasis, welche 10 dB Dämpfung bei 20 kHz erreicht, ein Stück weit neutralisieren. Die Tatsache, dass dieses Feature heutzutage aber nicht mehr genutzt wird, obwohl es bei allen Playern noch zur Verfügung steht (allerdings kann nicht jede Playback-Software auf PCs damit umgehen), deutet darauf hin, dass der Dynamikumfang des CD-Standards von niemandem als problematisch und dringend verbesserungswürdig angesehen wird.

Weitere Speicherformate

Die Fortentwicklung der Converter-Technik mit höheren Oversampling-Faktoren und Multibit-Designs war stets von dem Wunsch begleitet, das digitalisierte Signal möglichst ungefiltert und verlustfrei, am besten gleich nativ, aufzeichnen zu können. Daraus erwuchsen verschiedene Sonderformate. So ist das native Ausgangsformat eines mit 128× Oversampling arbeitenden Ein-Bit-ADCs (wie zum Beispiel die in den Korg MR-1000/2000 Recordern arbeitenden PCM4202) ein Bitstream (genannt „DSD128“) mit im Vergleich zur SACD (die mit DSD64 arbeitet) verdoppelten Samplingrate. Im Gegensatz zu DSD64 hat dies den Vorteil, dass der Noisefloor bis 40 kHz auf konstant niedrigem Level bleibt.

Manche Multibit-AD Converter bieten einen optional nutzbaren DSD-Ausgang, allerdings muss der Bitstream dort, wie erwähnt, verlustbehaftet durch eine eigene, vollständig digital arbeitende ΔΣ-Stufe erzeugt werden. Gleiches gilt auch für Multibit-ADCs, die mit 256-fachen Oversampling laufen. Ihr Bitstream-Ausgang mit einer Rate von immerhin über 10 MHz / Kanal wird folgerichtig DSD256 genannt.

Die besten Multi-Bit AD-Chips bieten aber häufig auch einen Abgriff des nativen 5- oder 6-Bit PCM-Signal, welches mit voller Oversampling-Abtastrate als Ausgang des Quantisierers zur Verfügung steht. Dieses kann entweder unmittelbar aufgezeichnet oder mit einem DSP oder FPGA auf andere Formate umgewandelt werden, z. B. DXD (digital extreme definition). Dabei handelt es sich um 24 bit PCM mit dem achtfachen der Standardabtastrate 44,1 kHz (also 352,8 kHz), welches zum Beispiel auf Merging Technologies Pyramix Workstations für die SACD-Produktion Verwendung findet. Einige wenige monolithische ADCs wie zum Beispiel der Arta AT1201 sind 8×-fähig und können dieses Format folglich auch selber erzeugen.

Fazit: Digital-Audio ermöglicht Klanggenuss auf maximal möglichem Niveau

30 Jahre nach ihren ersten Anfängen hat sich die digitale Audiotechnik fest etabliert und ist in allen Bereichen, von der Klangerzeugung und Aufnahmetechnik über Live-Beschallung bis hin zur Wiedergabe beim Konsumenten nicht mehr wegzudenken. Für letztere begann die Einführung der Digitaltechnik durch die CD mit einem Paukenschlag, da sie qualitätsmäßig alle bisherigen Medien in sämtlichen Belangen in den Schatten stellte. Ihr 16-Bit-Dynamikumfang bei voller Audio-Bandbreite war so ungeheuer gut, dass sie auch heute noch 99% der Hörer völlig zufrieden stellt, ja bei Ausschöpfung ihres vollen Potentials nicht mal von Profis von höher auflösenden Medien unterschieden werden kann.

Diese hatten deswegen – auch weil durch einen dummen Formatkrieg zwei verschiedene Medien koexistieren – kaum eine Chance, sich als Nachfolger der CD zu etablieren, trotz Mehrkanal-Fähigkeit. Ganz im Gegenteil ist heute zu beobachten, dass der breite Mainstream sich mit aus dem Internet geladenen, psychoakustisch komprimierten Tracks zufrieden gibt und die Qualität der von Otto Normalverbraucher verwendeten Abhören, sprich Lautsprecher und Kopfhörer, im Vergleich zu früher sogar deutlich verschlechtert hat.

Auf der anderen Seite hat sich die Technik erheblich weiter entwickelt und bietet schon für den Einsteiger Recording- und Homestudio-Equipment mit einem um mindest 20 dB höheren Dynamikumfang als der CD-Standard. 96-kHz Fähigkeit ist außerdem Selbstverständlichkeit geworden und ist zumindest für den Produktionsprozess sowie die Live-Beschallung kein überflüssiger Luxus, wie anhand einiger Aspekte erläutert wurde.

Trotz all dem gab und gibt es stets Vorbehalte gegenüber der Klangqualität der digitalen Medien, die zumindest in der Anfangszeit, bei schlecht konzipierten Einzelprodukten aber natürlich auch heute noch ihre Berechtigung haben. Die meisten Klagen dieser Art sind aber wohl eher Phantomscherzen und lassen sich durch korrekt durchgeführte Hörtests auch leicht als solche entlarven.

Vielleicht noch bedeutungsvoller als die immer gleich gute, nahezu perfekte Klangqualität von hochaufgelösten Digitalaufnahmen ist ihr gewaltiger Handling-Vorteil. Wohl kaum ein Tonschaffender im Studio sehnt sich nach stundenlangen Bandschnipseleien zurück, und nur wenige audiophile Konsumenten nehmen noch gerne die Arbeit auf sich, eine große schwarze PVC-Scheibe auf einen drehbaren Teller zu hieven und nach gebührender Staubentfernung durch einen antistatischen Pinsel (oder gleich nasser Abspielung) behutsam eine Nadel auf eine Rille zu setzen, um 20 bis 25 Minuten Musik in vermeintlich unverfälschter und purer analoger Qualität zu genießen.

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Hallo,
    schwere Kost, die nicht jeder gleich versteht. Welcher SACD-CD-Player mit neuerer Konstruktion würde dann beispielsweise “artgerecht” sein?
    Bringt es Sony, z. B. mit dem UBD-X1000ES zustande, “dem Artikel Stand zu halten”
    mfg U. Apelt

    Auf diesen Kommentar antworten
  2. Hallo Herr Apelt,
    der UBD-X1000ES ist ja als Multi-Format-Player ein Alles-Könner, der sich in der Hauptsache auf die höchstauflösendsten Video-Formate konzentriert, insofern macht man mit dem sicher nichts verkehrt. Bei Wiedergabe einer Standard-SACD kann er allerdings auch nicht zaubern, die Auflösung und Bandbreite ist genau wie bei der CD ja festzementiert – und Standard-PCM ab 96 kHz / 24 Bit diesbezüglich unterlegen, wie der schon etwas ältere Artikel verdeutlichen sollte. Was nicht bedeutet, dass eine SACD bei sorgfältiger Mischung & Mastering nicht perfekt klingen kann – sie bietet immerhin effektiv 20 Bit Auflösung, also 24 dB mehr Dynamikumfang als der schon sehr gute CD-Standard. Also, Scheibe einlegen, zurücklehnen und genießen – egal ob es eine SACD, DVD-A oder gar 4K Blu-Ray ist!
    Viele Grüsse
    Swen Müller

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